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Aus: Ausgabe vom 09.06.2017, Seite 11 / Feuilleton
Geschichtswissenschaft

Untergehende Spezies

Wie wenige Größen marxistischer Gelehrsamkeit uns geblieben sind, wird einem dieser Tage angesichts des Todes des großen Kurt Gossweilers gewahr. Bereits 2012 starb der nur wenige Monate ältere britische Historiker und Universalgelehrte Eric Hobsbawm. Mit ihm verlor der historische Materialismus einen einsamen Giganten. Seine epochalen Studien über das 19. und 20. Jahrhundert sind noch immer Standardwerke eines Fachs, dessen struktureller Konservatismus höchstens noch von der katholischen Theologie übertroffen wird. Grundbegriffe der heutigen Geschichtswissenschaft wie das »Zeitalter der Extreme«, das »lange 19. Jahrhundert« oder »Erfundene Traditionen« gehen auf seine Arbeiten zurück. Bereits in der Nachkriegszeit hatte Hobsbawm mit anderen Vertretern der »Communist Party Historians Group« in Großbritannien einer marxistisch informierten Sozial- und Wirtschaftsgeschichte den Weg bereitet. Trotz seiner scharfen Kritik an Politik und Ideologie der Sowjetunion schlug er sich nie auf die Seite ihrer Gegner. Bis zuletzt hieß er sich einen »alten Kommunisten«. Zu Recht nannte der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler ihn den »letzten Repräsentanten einer vielleicht untergehenden Spezies«. Eric Hobsbawm wäre heute 100 Jahre alt geworden. (pm)

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