An unsichtbaren Drähten
Mit einem Faible fürs Kindliche begründete die Jury der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung am Dienstag die Verleihung des Georg-Büchner-Preises an den Lyriker Jan Wagner: »Aus neugierigen, sensiblen Erkundungen des Kleinen und Einzelnen« ließen seine Gedichte »mit einer unerschöpflichen Phantasie (...) Augenblicke entstehen, in denen sich die Welt zeigt, als sähe man sie zum ersten Mal«.
Wagner wurde 1971 in Hamburg geboren und studierte Anglistik. 2015 hat er für den gefälligen Gedichtband »Regentonnenvariationen« bereits den Leipziger Buchpreis in der Sparte Belletristik erhalten. Überhaupt kann sich der gut vernetzte Lyriker, dem wenig ferner liegt als eine politische Haltung, wie Georg Büchner sie einnahm, vor Ehrungen kaum retten. Das ging schon vor seinem Lyrikdebüt »Probebohrungen im Himmel« (2001) los. Längst zählen die hochkarätigen Auszeichnungen nach Dutzenden.
Der Büchner-Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird am 28. Oktober in Darmstadt verliehen. Man kann sich angesichts dieses Werdegangs an Wagners Poem »botanischer garten« aus dem Band »Guerickes Sperling« (Berlin Verlag, 2004) erinnert fühlen: »das licht aristokratisch fahl wie wachs – / sah ich am hügel gläsern das gewächs- / haus, seine weißen rippen, fin de siècle, / und dachte prompt an jene walskelette, / für die man sich als kind den hals verdrehte / in den museen, an unsichtbaren drähten, / dass sie zu schweben schienen, aufgehängt, / an jene ungetüme, zugeschwemmt / aus urzeittiefen einem küstenstrich, /erstickt an ihrem eigenen gewicht«. (jW)
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