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Aus: Ausgabe vom 07.10.2017, Seite 11 / Feuilleton
Utopische Literatur

Ein letzter Gruß von Bernd Kramer

Aus dem Nachlass der Berliner Anarcho- und Kneipenlegende gibt es nun einen »philosophischen Reisebericht« in Richtung Himalaja
Von Jochen Knoblauch

Bernd Kramer war Autor, Herausgeber, Trinker und Anarchist. Er starb 2014, ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau, der Verlegerin Karin Kramer. Seine Streitbarkeit war berüchtigt, seine Ideen und Einfälle an den Kneipentischen legendär. Jetzt ist eine fragmentarische Hinterlassenschaft dieses Querdenkers und Geradeaustrinkers im noch jungen Berliner Quiqueg-Verlag erschienen.

So, wie Bernd Kramer zusammen mit anderen 2010 die Kreuzberger Eckkneipe »Zum Goldenen Hahn« von der UNESCO als Weltkulturerbe eintragen lassen wollte, entstammt auch »Das Gasthaus zum letzten Yeti« einer Kneipensitzung. Folgt man Kramer, soll es biertrinkende Yetis im Himalaja geben. Warum also nicht einen Brief an die ortsansässigen Brauereien schreiben, als »Yeti-Centrum c/o Zum fröhlichen Zecher ...«, und anbieten, ein paar Fässer Bier in den Himalaja zu transportieren?

In tagebuchähnlichen Eintragungen geht es auf die Reise (wenngleich diese vermutlich nie über die Schwelle der Kneipe hinauskam), mit Kollegen wie Thomas Kapielski, dem großen Inspirator, und mit dem einen Philosophen Martin Heidegger (dem er die japanischen Hirschhornknöpfe von der Jacke abdreht) sowie dem anderen Philosophen Hans-Georg Gadamer (der mit den Interpretationen von Celan-Gedichten in den Wahnsinn getrieben wird).

Neben der großen Expedition geht es um substantielle Themen wie »Backen ohne Mehl«, Günter Grass, links- und rechtsdrehende Hakenkreuze und die Frage, warum der Adamsapfel seinen Namen zu recht trägt. Auch das Paul-Celan-Gedicht »Zrtsch« ist Thema. Nicht nur die schrägen Einfälle machen das Buch liebenswert, auch das für Bernd Kramer typische Rumbohren: Woher stammt dieses Wort? Was sagt die Bibel dazu? Was verbirgt sich wirklich hinter den diversen Abkürzungen?

Das Ganze ist eine dieser Kramerschen Collagen. Sicherlich wäre es für die Lektüre hilfreich, irgendwann mal mit dem Herrn Kramer gemeinsam gezecht zu haben, aber diese Chance ist ja nun vorbei.

Noch schräger wird es, wenn man ein wenig um die Editionsgeschichte weiß: Kramer hatte zahlreiche Kapitel verfasst und sie z. T. irgendwelchen Leuten in die Hand gedrückt, um deren Meinung zu hören. Es gab kein geschlossenes Manuskript. So führt etwa der Herausgeber Hermann Jan Ooster hinten noch eine Liste an mit 13 verschollenen Kapiteln, von denen allerdings niemand weiß, ob die geschrieben oder nur geplant waren.

Für mich, der Bernd und Karin Kramer seit den 1970er Jahren kannte, ist dieses Buch ein wahres Geschenk, denn hinter jeder Zeile taucht das Gesicht von Bernd Kramer auf, dieses Doppelporträt von Bakunin/Kramer. Er trinkt lachend sein Bierchen. Ich wünsche mir, dass die verlorenen Kapitel irgendwann auftauchen und einen zweiten Band füllen.

Bernd Kramer: Das Gasthaus zum letzten Yeti. Philosophischer Reisebericht. Herausgegeben von Hermann Jan Ooster, Quiqueg-Verlag Berlin 2017, 108 S., 14,80 Euro

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