Die Hoffnung des Menschen
Die heurige Jahresgabe der Christian-Geissler-Gesellschaft umfasst zwei Antikriegsreden des 2008 verstorbenen Schriftstellers. Als er unter dem Titel »Auschwitz, Hiroshima und die Hoffnung des Menschen« 1961 auf dem Ostermarsch in Frankfurt am Main sprach, hatte er sich bereits mit dem Roman »Anfrage« (1960) einen Namen gemacht, in dem er die Schuld der Vätergeneration am Faschismus thematisierte. Geissler erkennt angesichts der Massenvernichtung eine allgemeine »Korruption des moralischen Bewusstseins«. Die einzige Hoffnung sei »die Befreiung des Menschen« zu seinen »guten, vernünftigen Möglichkeiten«.
Zum Zeitpunkt seiner ebenfalls in Frankfurt gehaltenen Rede, »Lidice liegt heute in Südvietnam« zum Antikriegstag 1965, war Geissler bereits einer der prominentesten Köpfe der Ostermarschbewegung. Er greift seine frühere moralische Argumentation auf, wendet sie aber materialistisch: »Herrschende Klassen können den Krieg immer nur scheinbar (…) bekämpfen, denn genau das gesellschaftliche System, das sie zur herrschenden Klasse macht, macht auch den Krieg.« Deshalb verübten die US-amerikanischen Befreier von einst in Vietnam nun selbst »Terror und Unmenschlichkeit«. Sein Beitritt zur illegalen KPD 1967 wird hier vorweggenommen. Wie vier Jahre zuvor setzt Geissler gegen das Menschheitsübel Krieg die Hoffnung, allerdings eine konkrete: auf den Klassenkampf. »Der Krieg wird abgeschafft werden von denen, für die er einfach nur der gemeine Tod ist. Von uns. Oder von niemandem.«
Die lesenswerten Reden können gegen eine Spende von mindestens 5 Euro bei der Christian-Geissler-Gesellschaft bestellt werden (info@christian-geissler.net). (jW)
christian-geissler.net/neu-jahresgabe-2018/
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