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Aus: Ausgabe vom 16.04.2018, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Karlsruhe unter Druck

Das Bundesverfassungsgericht wollte 2017 erstmals über Hartz-IV-Sanktionen entscheiden. Doch angeblich wegen Überlastung verschob es das Urteil auf unbestimmte Zeit. Das könnte an von ihm selbst angeforderten Stellungnahmen liegen. Denn die bieten politischen Sprengstoff: Elf von 18 Verbänden, Organisationen und Institutionen kritisieren die Kürzungsstrafen als ganz oder teilweise verfassungswidrig.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband verdeutlichte in seinem Bericht anhand mehrerer Studien: Jobcenter sanktionierten am häufigsten Menschen mit psychischen oder anderen Beeinträchtigungen. So treffe es häufig Menschen mehrfach, die nicht in der Lage seien, die strengen Auflagen zu erfüllen. Der Anteil der pro Jahr zwei-, drei-, viermal oder noch häufiger Sanktionierten sei zwischen 2010 und 2016 von 17 auf 29 Prozent gestiegen. Damit bestraften Jobcenter Hartz-IV-Bezieher härter als inhaftierte Straftäter, für die das Grundrecht auf ein Existenzminimum bestehen bleibe, so der Verband. »Sanktionen bergen die Gefahr von sozialer Isolation, gesundheitlicher Beeinträchtigung, Kleinkriminalität, Schwarzarbeit, Verschuldung und Obdachlosigkeit.«

Auf diese Auswirkungen machte auch der Deutsche Anwaltsverein aufmerksam. Darüber hinaus würden nicht sanktionierte Familienmitglieder mitbestraft, die Betroffene aufzufangen versuchten, stellte er klar. Der Deutsche Gewerkschaftsbund erinnerte daran, dass mit Hartz IV das Existenzminimum beziffert sei. Den Spielraum, dessen Gewährung an Wohlverhalten zu knüpfen, habe der Gesetzgeber nicht. Und der Deutsche Sozialgerichtstag stellte fest: »Leistungskürzungen von mehr als 30 Prozent, die in das physische Existenzminimum eingreifen, sind in der bestehenden Ausgestaltung verfassungswidrig.« Aktuell sei für Betroffene ein menschenwürdiges Dasein nicht gesichert. Neben den Genannten kritisierten fünf weitere Sozialverbände und zwei große Erwerbsloseninitiativen die Strafpraxis.

Das Bundessozialgericht und Hessens Landesregierung verweigerten sich einer Wertung, die Thüringer Landesregierung äußerte lediglich Zweifel an der »Vereinbarkeit der Sanktionsregeln mit dem verfassungsrechtlich verbrieften Recht auf eine menschenwürdige Existenz«. Einzige Befürworter der Praxis waren die Bundesagentur für Arbeit, der Städte- und Landkreistag, die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (sbo)

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