Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 06.07.2018, Seite 11 / Feuilleton

Lanzmann gestorben

Claude Lanzmann, der neben Marcel Ophüls wichtigste französische Dokumentarfilmer, ist tot. Er starb am Donnerstag in Paris im Alter von 92 Jahren. Lanzmann wurde 1985 mit seinem Mammutwerk »Shoa« weltbekannt. Nach seinem Debütfilm »Pourquoi Israël« (Warum Israel) von 1972, eine dokfilmkünstlerisch atemberaubende Liebeserklärung an diesen Staat, schlug man ihm dort vor, eine Dokumentation über den Holocaust zu drehen. Er schuf dann ein »epochales Meisterwerk der Erinnerungskultur«, wie es die Jury der Berlinale ausdrückte. Das dauerte mehr als ein Jahrzehnt, weil er Jahre im Schneideraum damit verbrachte, 350 Stunden Videomaterial auf neuneinhalb Stunden runterzukürzen.

Martin Büsser schrieb hierzu in dieser Zeitung: »Es handelt sich in jeder Hinsicht um einen Gegenentwurf zur in den 1980er Jahren viel diskutierten TV-Serie ›Holocaust‹ und zu Filmen wie ›Schindlers Liste‹: Keine Musik schmiert hier das schier Unsagbare mit Sentimentalität zu, keine Visualisierung des Schreckens erliegt hier dem Glauben, der Massenmord ließe sich nachträglich im Sinne einer Abschreckung darstellen. (...) Lanzmann lässt Täter und Opfer zu Wort kommen, das einzige Bildmaterial neben den Gesprächspartnern sind Aufnahmen der Stätten des Massenmordes, die inzwischen (...) wieder von Wäldern, Wiesen und Büschen überwuchert wurden. ›Shoah‹ ist damit auch ein Film über das Verschwinden von Spuren und ein Kampf gegen das Vergessen.«

Lanzmann wurde am 27. November 1925 in einer Pariser Vorstadt als Enkel von eingewanderten belarussischen Juden geboren. Als Jugendlicher engagierte er sich für die Kommunistische Partei und während des Zweiten Weltkriegs in der Résistance. Nach dem Krieg setzte Lanzmann sein in Paris begonnenes Philosophiestudium in Tübingen fort, arbeitete kurz an der FU Berlin und ging dann zurück nach Paris, wo er zum Kreis der Zeitschrift Les Temps modernes um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gehörte. Lange Zeit war er der Geliebte von Beauvoir und führte auch sonst als Journalist und Filmer ein abenteuerliches Leben, wie er in seiner lesenswerten Autobiographe »Der patagonische Hase« erzählt. (jW)

Mehr aus: Feuilleton