Welcher Sommer?
Von Wiglaf DrosteWas im Amerikanischen »Indian Summer« heißt, wird in Deutschland »Altweibersommer« genannt. Da fällt die Wahl leicht; der Übergang vom Sommer zum Herbst bietet Farben und Gerüche de luxe und angenehme Temperaturen, während alte Weiber zetern, nöcken, sich an der Käsetheke vordrängeln und, je nach Ausgeprägtheit der zänkischen Stimmung, auch von der Stockwaffe Gebrauch machen. »Arme alte einsame Frauen«, sagt einer, zeigt vages, verschwommenes Mitgefühl und bekommt, zack und aua!, die Quittung. Dabei nutzen die Altweiber ihr Potential nicht widerständig, sondern lassen ihre bösartige Laune an höflichen Menschen aus und hetzen, wenn sie ihre Kukident-Luken einmal auseinander kriegen, gegen Minderheiten aller Art. (Ich spreche hier nicht von alten Frauen im allgemeinen, sondern von boshaft knäckernden, herrischen Egoismen auf Beinen.)
Der Indianersommer dagegen verströmt eine Mischung aus Robert Gernhardt, Ernest Hemingway, Van Morrison und Kurt Tucholsky, die man zufrieden melancholisch nennen kann, auf das Neue schauend, das Vergehende betrachtend, inspirationsgesättigt, musisch und vor allem: leise.
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