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Aus: Ausgabe vom 01.10.2018, Seite 11 / Feuilleton
Droste

Wahre Tierrechte (1)

Von Wiglaf Droste

Von Wiglaf DrosteDie Kuh muhte so ausdauernd zornig, dass alle Tiere auf dem Biobauernhof zusammenliefen, um nachzusehen, was denn los wäre. Als alle versammelt waren, strullte die Kuh einen heftigen, dicken Strahl in die Weide. Ihre schönen großen Augen leuchteten, aus ihren Nüstern trat Dampf. Sie hob ein Vorderbein, bis alle Tiere schwiegen, und sprach dann ernst und klar: »Ich habe diesen Biopsychoterror satt! Immerzu soll ich glücklich sein, weil der Bauer und seine Kundschaft auf ›Milch von glücklichen Kühen‹ bestehen. Ich bin aber nicht immer glücklich, und ich will auch nicht immer glücklich sein müssen. Das ödet mich an, dieses Leben als Grinsekuh, als ›La Vache qui rit‹.« Sie warf ihren großen Kopf zurück, schnob unwillig und wartete auf Reaktionen.

Eine Henne war die erste, die ihre Gedanken in Worte fassen konnte. »Du hast recht, Gevatterin«, gackerte sie. »Meine Kolleginnen und ich müssen immerzu frei laufen, wir haben schon ganz dicke Beine und Krampfadern. Man kommt sich ja vor wie auf dem Freilandstrich!« Ein großes Put-put-put folgte, die anderen Tiere bähten, mäh-mähten, oinkten schnorchelnd und meckerten, bis der Hahn dreimal krähte. »Keinen Schutz vor dem Fuchs bekommen wir!« krächzte er heiser, »weil ja angeblich alle Tiere so toll sind und so kuschelig und lieb, und wir werden in Tollwut zerfetzt. Alleine kann ich die Hennen nicht schützen. Wir haben schließlich anderes zu tun.«

Die Hennen ließen ihm die kleine Anzüglichkeit durchgehen, die Lämmer und Zicklein aber zitterten ängstlich. »Wir müssen streiken!« schlug die Kuh vor! »Wir malen Transparente! ›Recht auf Unglück!‹ oder ›Auch Tiere haben Depressionen!‹, ›Schluss mit dem Glücksterror!‹ Lasst euch etwas Knalliges einfallen. Und wenn diese Öks mit ihren grässlichen Kindern uns wieder streicheln und an die Euter packen wollen, gibt es Lack! Wir sind doch nicht zum Begrapschtwerden da. Wehren wir uns!«

Die Begeisterung war entfacht, viele Tiere hatten schwer unter der Diktatur des Glücks gelitten und sahen nun einen Ausweg. Nur das Schwein, das menschenähnlichste Wesen von ihnen und deshalb auch von den Zweibeinern als »Glücksbringer« gefeiert, schlich sich davon und trug dem Bauern alles brühwarm zu. Das Schwein war eben eine hinterhältige Petze und machte sich gern mit Spitzeldiensten lieb Kind. (Fortsetzung folgt)

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