Wahre Tierrechte (17)
Von Wiglaf DrosteMelissa war in ihrem Element. Sie war die geborene Rednerin, wusste, wovon sie sprach, schwafelte nicht herum und konnte in wohlgesetzten Worten auf den Punkt bringen, was andere fühlten oder dachten, ohne es aber genauso sagen zu können, wie sie es meinten. Sie hatte ein scharfes Ohr für Stimmungen und Schwingungen, die sie schnell und ganz organisch in ihre Rede aufnehmen konnte, und auch wenn allein sie es war, die sprach, fühlten sich die Angesprochenen nicht ausgeschlossen, bevormundet oder zum Rumjubeln abkommandiert.
Einer der Schafhütehunde, eine schwarzweiße, wirbelwindschnelle und schlaue Schönheit, wie sie nur das Land hervorbringt, zwickte sie sacht in eine Hacke und hechelte: »Vergiss das mit der Wirtschaft nicht, Melissa! Das hat mir am besten gefallen.«
Die Kuh sah ihn dankbar für die Erinnerung an und nahm den Faden sofort auf. »Wir sind hier auf einem Ökohof. Das ist besser, als beim Abdecker auf den Tod zu warten. Aber« – sie hob ihre warme Stimme – »auch das Idyll der Ökologie ist den Gesetzen der Ökonomie unterworfen. Jochen hat es selbst gesagt: Der Hof gehört in Wahrheit vor allem der Bank. Und für die sind wir nur Kosten-Nutzen-Faktoren, Vieh, aus dem man noch den letzten Cent Profit herauspresst, bevor man sogar die Reste noch zu Knochenmehl verarbeitet!«
Fortsetzung folgt
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