Und das alles
Die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse (21.–24. März) wurden am Donnerstag bekanntgegeben. In der Kategorie Belletristik hat es Anke Stelling mit ihrem Roman »Schäfchen im Trockenen« (Verbrecher-Verlag) in die Endauswahl der letzten fünf geschafft, nach Einschätzung der Jury um den neuen Vorsitzenden Jens Bisky eine »verstörend uneindeutige, scharf belichtete Momentaufnahme der Gegenwart«. Die Verstörung über Uneindeutigkeit ist schwer nachvollziehbar. Stellings Roman entspricht in seinem Realismus durchaus dem Programm, das sie im Sommer in einem Vortrag in Dortmund umriss: »Entmachtung von Literaturpäpsten, Enteignung von Verlagskonzernen, Abschaffung von Genres, Kanons, Buchpreisen und dem Preis für Bücher, keine Kunst mehr als Ware, sondern ästhetische Erfahrung als Grundrecht. Kurzum: grundlegende Wandlung der Gesellschaft, Abschaffung des Kapitalismus, Geburt des neuen Menschen, und das alles braucht es ja sowieso« (Abdruck des Vortrags in jW vom 16.6.2018). Ob sie den verdienten Leipziger Preis im Fall der Fälle annehmen würde, bleibt abzuwarten.
Unter den letzten fünf ist mit Jaroslav Rudis auch ein Autor aus dem Messe-Gastland Tschechien. Rudis lebt allerdings in Berlin und schrieb »Winterbergs letzte Reise« über einen Eisenbahntrip eines biersüchtigen Altenpflegers und eines uralten Sudetendeutschen durch Ostmitteleuropa auf Deutsch. Der Roman wird ins Tschechische übersetzt. Feridun Zaimoglus »Die Geschichte der Frau« über die Weltgeschichte aus der Sicht von zehn Frauen steht ebenfalls auf der Shortlist. Das Buch sei »sprach- und bildmächtig und zugleich voll zarter Empathie«, teilte die Jury mit. Nominiert sind noch Matthias Nawrat mit seinem Roman »Der traurige Gast« und »Babel«, das Debüt der Altorientalistin Kenah Cusanit über den Archäologen Robert Koldewey, der im Jahr 1913 bei Bagdad die Ausgrabungen des alten Babylons leitete.
Die letzten fünf in der Kategorie Sachbuch/Essayistik sind Frank Biess, »Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik«; Harald Jähner, »Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945–1955« (beide Rowohlt); Marko Martin, »Das Haus in Habana. Ein Rapport« (Wehrhahn-Verlag); Lothar Müller, »Freuds Dinge. Der Diwan, die Apollokerzen und die Seele im technischen Zeitalter« (Die Andere Bibliothek); Kia Vahland, »Leonardo da Vinci und die Frauen. Eine Künstlerbiographie« (Insel-Verlag).
Die Gewinner werden am 21. März auf dem Messegelände ausgerufen. Der Preis ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. 2018 gewann Esther Kinsky mit »Hain« in der Kategorie Belletristik. (dpa/jW)
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