Barings Barrikaden
Der Historiker und Publizist Arnulf Baring ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Das bestätigte die Familie der dpa. Der 1932 in Dresden geborene Sohn des späteren Senatspräsidenten beim Bundesverwaltungsgericht, Martin Baring, studierte zunächst Jura und arbeitete als WDR-Redakteur, bevor er sich mit einer politikwissenschaftlichen Arbeit über »Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie« habilitierte. Nach einem Aufenthalt auf Einladung Henry Kissingers an der Harvard University wurde er im Herbst 1969 nach Berlin berufen, wo er fortan an der FU lehrte und sich mit Werken wie »Im Anfang war Adenauer« (1969) und »Machtwechsel: Die Ära Brandt-Scheel« (1982), vor allem aber als Talkshow-Dauergast einen Namen machte.
Der Rechtsaußen war, was Medien gerne pietätvoll »kontrovers« (»Tagesschau«) oder auch »streitbar und umstritten« (Tagesspiegel) nennen. Es gab kaum eine weltanschauliche Sauerei, an der sich Baring nicht beteiligte: Holocaust-Relativierung (»beklagenswerte Entgleisung«), abwechselnd Nazi-Reinwäsche (es habe »nicht jeder verbrecherische Ziele verfolgt«) und -Abwehr (»NSDAP war eine Linkspartei«), BdV-Propaganda (Abtrennung der Ostgebiete sei »Schrumpfungsprozess der deutschen Seele« gewesen), Sozialstaats-Schleifung (»DDR light«), Ossi-Bashing (»nicht weiter verwendbar«), Steuerboykott bis zur totalen Marktfreiheit (»Bürger, auf die Barrikaden!«) – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dass er der SPD nicht ähnliche Probleme bereitete wie der von Baring verteidigte Thilo Sarrazin (»sehr seriös«), davor bewahrte die Partei sein Ausschluss 1983 wegen Wahlkampfhilfe für Genscher. Immerhin blieb sich Baring treu: Wer nach der krudesten Rechtfertigung des jeweils neuesten nationalen Wiedererweckungsversuchs Ausschau hielt, wurde bei ihm zuverlässig fündig. Barings Herz schlug für Nation und Kapital. Samstag nachmittag versagte es seinen Dienst für immer. (jW)
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