Sicherheitsabkommmen NATO-Rußland ist perfekt
Vier Monate lang haben Nato-Generalsekretär Javier Solana und der russische Außenminister Jewgeni Primakow verhandelt, bevor sie am Mittwoch in Moskau Einigkeit über den Text eines gemeinsamen Sicherheitsabkommens erzielten. Der Nato- Ministerrat hatte Rußland im vergangenen Dezember formell die Verhandlungen über ein Dokument zur künftigen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit angeboten und Solana das Verhandlungsmandat erteilt. Mitte Januar traf Solana dann erstmals mit Primakow zusammen. Ziel des Westens war es, nach der Ost-Erweiterung, die im Juli mit dem Gipfeltreffen in Madrid eingeleitet werden soll, den Moskauer Widerstand gegen die Ausdehnung zu überwinden.
Die Vereinbarung zwischen der Nato und Rußland, die offiziell »Gründungsakte« für eine neue politische und militärische Zusammenarbeit genannt werden könnte, ist nur rund zwanzig Seiten stark. In der Präambel wird darauf verwiesen, daß nach dem Ende des Kalten Krieges ein Wandel in Europa eingetreten sei, Rußland sich zur Demokratie und die Nato sich von einem Militär- zu einem politischen Bündnis entwickelt hätten.
In einem weiteren Teil des Abkommens verpflichteten sich beide Seiten zur Respektierung der Menschenrechte, zu einem Gewaltverzicht und der Anerkennung der territorialen Souveränität und Unabhängigkeit anderer Staaten. Auch wollen beide Seiten die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stärken. Ein »Nato-Rußland- Rat« soll »mindestens zweimal im Jahr« auf der Ebene der Außen- und Verteidigungsminister zusammentreten. Der Rat soll ein ständiges Sekretariat bekommen. Rußland soll durch eine Ständige Vertretung und einen Botschafter bei der Nato in Brüssel permanent vertreten sein.
Das Abkommen nennt rund zwanzig Felder der »Kooperation und Konsultation«: so unter anderem Friedensmissionen, Militärkooperation, wissenschaftliche Zusammenarbeit bei Verteidigungsfragen oder Zivil- und Katastrophenschutz. Auf diesen Gebieten, vor allem bei friedenserhaltenden Maßnahmen, wollen Nato und Rußland »gemeinsame Initiativen« planen und »gemeinsame Entscheidungen« treffen. Jede Seite soll jedoch im Streitfall frei sein, nach eigenen Vorstellungen zu handeln.
Bis zuletzt umstritten war der militärische Teil des Abkommens, mit dem Rußland verhindern wollte, daß der Westen seine militärische Infrastruktur auf das Gebiet der neuen Mitglieder in Mittel- und Osteuropa ausdehnt. Beide Seiten erklären zum gemeinsamen Ziel, eine weitere Truppenreduzierung über die Revision des Vertrages über die Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) auszuhandeln. Entsprechende Verhandlungen laufen bereits in Wien. In einer einseitigen Erklärung zum Abkommen erklärt die Nato, daß sie »nicht die Absicht« habe, Atomwaffen in den neuen Mitgliedsstaaten zu stationieren. Sie sagt zugleich zu, Depots und Truppen dort zu begrenzen. Als vertrauensbildende Maßnahmen vereinbaren Rußland und die Nato gegenseitige Inspektionen von Militäreinrichtungen wie etwa Flughäfen, Depots, Luftabwehreinrichtungen, Hauptquartieren und Manöverplätzen.
Solana hofft nun, daß das Dokument nach der Billigung durch die Regierungen am 27. Mai bei einem Nato-Rußland-Gipfel in Paris unterzeichnet werden könne. Offiziell lehnen Jelzin und die Moskauer Führung die Erweiterung der Nato um Staaten des ehemaligen Warschauer Vertrages weiterhin ab. Polen, Tschechien und Ungarn gelten als erste Beitrittskandidaten. Der tschechische Präsident Havel hatte noch am Dienstag vor zu großen Zugeständnissen an Moskau gewarnt.
AFP/jW
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