Hintergrund: BDS im Visier
Während rechte Parteien mit Plakaten Wahlkampf machen, auf denen offen antisemitische Parolen präsentiert werden, richtet sich staatlicher Verfolgungseifer wieder einmal vorzugsweise gegen Linke, die die völkerrechtswidrige Besatzungspraxis des israelischen Staates im Westjordanland, auf den Golanhöhen und in Ostjerusalem kritisieren und zu zivilgesellschaftlichem Protest und Gegenwehr aufrufen.
Derzeit wird vor allem die Kampagne »Boykott, Desinvestition und Sanktionen« (BDS) mit administrativen Mitteln bekämpft, Räume für Veranstaltungen werden verweigert, Aktivisten, Journalisten und Wissenschaftler, die über die Ziele von BDS informieren oder auch nur diskutieren wollen, werden denunziert und öffentlich angegriffen. Am 14. Juni trat Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, von seinem Posten zurück. Der renommierte Judaist war zuvor mehrfach und zu verschiedenen Gelegenheiten von israelischen Regierungsinstitutionen sowie rechten Publizisten angegriffen worden – nicht zuletzt, weil das Jüdische Museum auf seinem Twitter-Account auf die Kritik von Hunderten israelischen und jüdischen Intellektuellen am »BDS-Beschluss« des Deutschen Bundestags hinwies, in dem BDS pauschal als antisemitisch verunglimpft wird. Der Rücktritt Peter Schäfers hatte weltweit Proteste von Museumsdirektoren, Kulturschaffenden und Intellektuellen zur Folge.
Am 17. Mai hatte der Bundestag die BDS-Kampagne verurteilt, mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten einem entsprechenden interfraktionellen Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen zu. Zuvor hatten Redner dieser Parteien davor gewarnt, BDS stelle das Existenzrecht Israels in Frage. Der Antrag forderte zugleich die Bekämpfung des Antisemitismus. Für die AfD kritisierte Jürgen Braun, dass die Anträge der anderen Parteien kein Verbot der BDS-Bewegung forderten. Er warf ihnen vor, bei der »entscheidenden Frage« zu »kneifen«. Die Linke pochte darauf, »jeden Antisemitismus in BDS-Aufrufen« zu verurteilen. Die Abgeordnete Heike Hänsel unterstrich, dass auch ihre Fraktion die BDS-Bewegung ablehne. Allerdings werde sie gegen die Anträge der anderen Parteien stimmen: Eine »pauschale Kriminalisierung und Sanktionierung« von BDS-Unterstützern sei »problematisch«. So könnten Presse- und Meinungsfreiheit durch den interfraktionellen Antrag unter Druck geraten, sagte Hänsel.
In den vergangenen Monaten schlossen sich viele Städte und Gemeinden im gesamten Bundesgebiet dem Bundestagsbeschluss an. Nach den Debatten um die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an »European Jews for a Just Peace« (EJJP; Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost) hat Göttingen als bislang wohl einzige Stadt die Übernahme des Anti-BDS-Beschlusses abgelehnt. (jW mit AFP)
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