Habemus Shortlist
Von Peter MergNur Bücher lesen wäre langweilig, deshalb haben wir den dazugehörigen Literaturbetrieb. Der rotiert im Halbjahresrhythmus der Messen, und damit man auf denen immer etwas zu schnacken hat, gibt es die dazugehörigen Preise. Der Frankfurter ist noch wichtiger als der Leipziger, heißt einigermaßen bescheiden »Deutscher Buchpreis« und bietet alljährlich das Spektakel der Longlist- plus Shortlist-Veröffentlichungen, das Feuilletonisten wie wir als hervorragende Vorlage für Artikel über die Trends der Saison zu verwerten wissen.
Nun ist es mal wieder soweit, am Dienstag wurde die Auswahl der letzten sechs Kandidaten bekanntgegeben. Nominiert sind »Das flüssige Land« von Raphaela Edelbauer (Klett-Cotta), »Kintsugi« von Miku Sophie Kühmel (S. Fischer), »Nicht wie ihr« von Tonio Schachinger (Kremayr & Scheriau), »Herkunft« von Sasa Stanisic (Luchterhand), »Winterbienen« von Norbert Scheuer (C.H. Beck) und »Brüder« von Jackie Thomae (Hanser Berlin).
Das sind, den üblichen Proporz wahrend, Bücher von drei Frauen und drei Männern, drei Arrivierten und drei Debütanten, freilich erschienen in fünf großen Verlagen aus Deutschland und einem nicht ganz so großen aus Österreich (Kremayr & Scheriau). Das entspricht der Konvention, hat seine Ordnung und kommt zwar der literarischen Bedeutung nicht eben zugute, dafür dem Buchhandel, und den mögen wir schließlich auch.
Am interessantesten dürfte tatsächlich der autobiographische Roman von Favorit Stanisic sein, der in Fragmenten von der Flucht seiner Familie aus Jugoslawien und den Geschichten seiner Großmutter, dem Aufwachsen unter Ausgegrenzten und dem »schwachen Kitt« Literatur erzählt. Thomaes Zweitwerk über zwei deutsche Söhne (nicht »Brüder«, wie die Jury im Internet daherschwafelt, wenngleich das der Titel ist) eines abwesenden afrikanischen Vaters repräsentiert dagegen die allseits beliebte Soziologieseminarsprosa, die fast so schnell vergessen wie bejubelt und bepreist wird. Dazwischen der Veteran Scheuer, der einen epileptischen Imker und Frauenhelden 1944 Juden retten lässt, und drei Frischlinge, die mal metaphernstarkes Zeug über die Provinz (Edelbauer), mal emotionalen Ringelpiez im märkischen Sand (Kühmel), mal Identitätsprobleme im Spitzensport (Schachinger) im Angebot haben und sich deshalb still von der Jury für die »Boxkraft des Tons« loben lassen müssen. Als Entschädigung winken 25.000 Euro.
So hat alles seine schönste Richtigkeit. Bis zum nächsten Jahr.
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