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Aus: Ausgabe vom 24.10.2019, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Schwarz-grüne und andere Loyalitäten

Seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Juni dieses Jahres ist das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wieder in Erklärungsnot, denn über den mutmaßlichen Haupttäter Stephan Ernst gab es dort mehr Material als zunächst eingeräumt. Auch die personellen Bezüge zum Komplex »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) treten immer deutlicher hervor.

Im Hessischen Landtag gehen die Vorstöße in Sachen Aufklärung überwiegend von Linksfraktion und SPD aus – denn die Grünen, die in NSU-Untersuchungsausschüssen von Bund und Ländern zum Teil engagierte Aufklärungsarbeit leisteten, regieren in Hessen gemeinsam mit der CDU unter Ministerpräsident Volker Bouffier, der als einer der Hauptvertuscher gelten muss.

Bouffier behinderte 2006 mit einer Sperrerklärung die Ermittlungen zum damals noch nicht als NSU-Verbrechen erkannten Mord an Halit Yozgat, bei dem der LfV-Mitarbeiter Andreas Temme am Tatort gewesen war und angeblich nichts bemerkt hatte.

Ende September 2019 forderte der SPD-Abgeordnete Günter Rudolph, den ehemaligen V-Mann-Führer Temme erneut überprüfen zu lassen. Temme war ins Regierungspräsidium Kassel versetzt worden, nachdem die Mordermittlungen gegen ihn nicht weitergeführt werden konnten. Seine späteren Zeugenaussagen im Münchner NSU-Prozess und in Ausschüssen wurden zwar vielfach als unglaubwürdig bewertet, er wurde jedoch nie wegen falscher uneidlicher Aussage angeklagt. Nach Einschätzung von Nebenklageanwälten wäre sogar ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt möglich gewesen.

Im Herbst 2017 forderte eine Bürgerinitiative in Kassel die Suspendierung von Temme, der im Regierungspräsidium in der Abteilung Beamtenversorgung tätig war. Im November 2017 erfuhr die Kasseler Initiative »Nachgefragt«, dass Temme nicht mehr in dieser Abteilung arbeite – aber nicht, wohin er versetzt wurde. Im Regierungspräsidium soll er nach wie vor tätig sein. Walter Lübcke war demnach Temmes Chef, als er im Juni mutmaßlich von Stephan Ernst erschossen wurde. Die jüngste »Überprüfung« von Temme ergab nun, dass dieser als Verfassungsschützer schon vor 2006 mit Stephan Ernst »dienstlich befasst« war. Temmes eigene Gesinnung war zumindest in jungen Jahren ultrarechts – darauf deutet der von Nachbarn überlieferte Spitzname »Klein-Adolf« hin – später bezeichnete er sich als konservativ. Lübcke hatte im Herbst 2015 den Hass von Neonazis auf sich gezogen, indem er die Aufnahme Geflüchteter verteidigt hatte. (clw)

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