Corona-Story: Tauschwert
Von Kai KöhlerMartina F., Kleingewerblerin, las stets aufmerksam die Zeitung und kam dabei auf durchaus praktische Gedanken. So hatte sie sich wenige Tage nach den ersten Meldungen über ein neuartiges Virus in dieser riesigen chinesischen Stadt, von der sie noch nie gehört hatte, einen stattlichen Vorrat Gesichtsmasken zugelegt. Es störte dabei gar nicht, dass diese Billigprodukte nicht nur keinerlei Schutz boten, sondern, durchfeuchtet von Atemluft, ein Paradies für jeglichen Erreger darstellten. Im Gegenteil war der niedrige Preis die Voraussetzung für eine ihrer Weitsicht angemessene Gewinnspanne.
Ein paar Wochen vergingen, aber die Infektionszahlen blieben kläglich. Martina hatte geplant, bei tausend Kranken auf Ebay anzubieten. Sollte sie hingegen, um den Kram wenigstens loszuwerden, schon bei hundert inserieren? Aber da waren es, mit einem Riesenschritt, mit einem Male 120, dann 184, und ganz richtig schloss die Geschäftsfrau, dass dies noch lange nicht das Ende war. Bei 2.500 sah sie ab und an Maskenträger auf der Straße, in den Läden; bei 12.000 hätte sie einen Gewinn gemacht, von dem sie zwei Jahre hätte gut leben können. Aber was sind schon zwei Jahre! Nur noch eine Woche Geduld, und sie hätte Kapital genug für das lang geplante Unternehmen, das sie bis zum hoffentlich fernen Lebensabend …
Aber ach, die Leute starben nicht, oder doch nicht in ausreichender Zahl. Viele hatte sogar die Frechheit, einfach so gesund zu werden. Gleichzeitig ließ die Zahl der Neuinfektionen zu wünschen übrig. Es half nichts, das Zeug musste raus. Siebzehn Bestellungen reichten bei weitem nicht, wenigstens die Investition einzubringen. Eine Rettung schien dieser vertrottelte Landrat, der ihr den Rest abnahm, aber dann einfach so, statt sich nach dem Preis zu erkundigen, für die »großzügige Spende« dankte. Den lobenden Artikel in der Arffbacher Kreiszeitung, mit Foto der Wohltäterin, schmiss sie in den Müll.
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