Corona-Story: Karriere
Von Kai KöhlerIngrid T., Sicherheitsexpertin, war froh, als die Besprechung mit den Polizeipräsidenten schließlich beendet war. Diese Männer, jedenfalls die meisten von ihnen, verstanden gar nichts. Sie redeten von den Gefahren, denen zu begegnen sei, und sahen nicht die Chancen. Dabei war die Lage so günstig wie nie. Von Bürgerrechten war nicht mehr die Rede; bei jeder neuen Anordnung gab es einen kurzen Abend lang einen Anflug milder Anarchie, und dann wurde – fast ganz ohne Zwang – gehorcht. Daraus müsste sich mehr machen lassen.
Ein wenig entspannte sie sich, als sie erneut die ihr ans Herz gewachsenen Berichte aus Korea überflog. Ein Land voller Smartphones, mit öffentlichen Bewegungsprofilen möglicher Virenträger, und kein Protest! In noch jeder Seitengasse eine Überwachungskamera! Jede Kamera von einer anderen überwacht! So sollte es auch in Deutschland werden, und schon beim Gedanken daran fröstelte sie. Wieso fröstelte?
Das Fieber war merklich und die Diagnose bald gestellt. Ingrid T. fand sich isoliert in ihrer Wohnung wieder, mit der Auflage, diese nicht zu verlassen. Nun würden also die wichtigen Entscheidungen ohne sie getroffen.
Erst ging sie ein paar Schritte durch die Nacht, sie konnte dabei ja niemanden anstecken. Bald wurde sie dreister, man konnte sich in diesem Land wirklich alles erlauben! Sie würde beweisen, woran es wirklich fehlte. Unerkannt fuhr sie Bus, hustete sie in der Apotheke. Gefasst wurde sie erst, als sie in der Eingangshalle eines Pflegeheims unverkennbar schwankte.
Ihre Vorgesetzten, die bis dahin die ehrgeizige Beamtin wohlwollend gefördert hatten, zeigten sich menschlich enttäuscht. Ein Posten in einem nachgeordneten Amt für die Jahrzehnte bis zur Pension, damit musste sie zufrieden sein. Der Aktionsplan indessen, den sie in den langen Abenden ihrer Quarantäne entworfen hatte, fand einen neuen Verfassernamen und angemessene Wirkung.
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