Dokumentiert: Meinen Gruß zuvor
Von Stefan RipplingerAn Warnern wird es wieder einmal nicht gefehlt haben. Sarkastisch lächelnd stellen sie sich uns in den Weg, nehmen sie uns beiseite, um uns auf die Vergeblichkeit unseres Tuns aufmerksam zu machen. Und natürlich haben sie recht. Das alles – dieses halsbrecherische Zeitungsprojekt – ist selbstverständlich zum Scheitern verurteilt, Unsinn, Kinderkram. Wir rennen mit offenen Augen in unseren Untergang. Und merkwürdig, je älter wir werden, desto kindischer, unbelehrbarer werden wir. Währenddessen scheint der Warner, dieses leibgewordene Realitätsprinzip, schon Mitte 20 aus seinen bisherigen Lebenserfahrungen den allergrößten Nutzen gezogen zu haben. Er hat wohl abgewogen, was unter dem Gesichtswinkel der Effektivität noch etwas – für ihn und andere – bringen kann, und was auf gar keinen Fall etwas einträgt. Dass er sich selbst an unserem Himmelfahrtskommando beteiligen könnte, hat sich damit bereits erledigt. Freundlich, wie der Warner ist, stellt er uns uneigennützig seine sehr gut ausgewertete Erfahrung zur Verfügung. Er fühlt sich bemüßigt, uns mit überlegener Ironie mitzuteilen, dass das alles nichts werden kann. Das Seltsame: Wir wissen es bereits.
Man muss daraus schließen, dass es zwei Sorten Menschen gibt: Solche, die die Erkenntnisse der modernen Verhaltenslehre voll bestätigen und aus Erfahrung klug werden – und solche, die ihren Erfahrungen permanent zuwiderhandeln. »Was gestern gescheitert ist, sollte morgen wiederholt werden«, notierte, nicht lange vor seinem Tod, Franz Jung, dem ich den Titel dieses Stücks entwendet habe.
Jung mag für all die wunderlichen Kindsköpfe unseres Jahrhunderts stehen, die sich weigerten, klug zu werden. Man sah ihn an Revolutionen, Revolten, dadaistischen Aktionen und aussichtslosen Unternehmungen sich beteiligen. Überall, wo es etwas zu verlieren gab, war Jung dabei. Ihn hätte man fragen müssen, was der Unsinn soll. Aber vielleicht wissen wir es bereits.
Dass die Warner recht behalten werden, ist jedenfalls sicher. Aber es ist kein Argument. Nicht ihnen zum Trotz, sondern auf immer von ihnen getrennt wird sich auch dieses sinnlose Unternehmen entrollen.
Manchmal sehe ich sie an unseren Gräbern stehen und murmeln: »Das habe ich gleich gewusst!« Dann sollte es aus der Gruft rufen: »Wir auch.«
zuerst erschienen in junge Welt vom 13. April 1995
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