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Aus: Ausgabe vom 28.06.2003, Seite 16 / Aktion

Kontroverse in (bisher) fünf Akten

Wir sind die Bösen: jW verletzt Persönlichkeits-, Urheber- und Wettbewerbsrechte

Wir sind die Bösen: jW verletzt Persönlichkeits-, Urheber- und Wettbewerbsrechte

Was bisher geschah

Erster Akt: Der Tageszeitung junge Welt liegt am Samstag, den 14. Juni 2003, die Zeitung Wir@PDS bei, die sich mit den aktuellen Auseinandersetzungen in der PDS beschäftigt. Sie wird von der PDS-Strömung »Geraer Dialog« herausgegeben. Aus dem Impressum geht eindeutig hervor, daß junge Welt bzw. Verlag 8. Mai GmbH weder presserechtlich noch sonstwie verantwortlich sind und daß es sich um eine sogenannte Fremdbeilage handelt.

In dieser Fremdbeilage wird ein Interview mit Hans Modrow wiedergegeben, das zuvor im Neuen Deutschland veröffentlicht wurde. Darauf wird richtigerweise in der Quellenangabe zum Text hingewiesen. Die Verantwortlichen von Wir@PDS haben von Hans Modrow die Zustimmung zum Abdruck, das ND allerdings nicht um Erlaubnis zum Nachdruck gefragt. Das wäre sicher besser gewesen, ob allerdings presse- und urheberrechtlich tatsächlich unbedingt erforderlich, kann unterschiedlich gesehen werden.

Zweiter Akt: ND-Geschäftsführer Wolfgang Spickermann sieht im Abdruck des Modrow-Interviews in der PDS-Strömungszeitung eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Neues Deutschland habe gar »durch den unerlaubten Abdruck Schaden genommen«. Deshalb fordert er, daß eine »strafbewehrte Unterlassungserklärung« zu unterschreiben sei. Es sei eine Strafe in Höhe von 7500 Euro fällig, falls erneut Artikel, Interviews oder andere Beiträge aus dem ND abgedruckt würden. Allerdings verlangt Herr Spickermann diese Unterlassungserklärung nicht von den Verantwortlichen von Wir@PDS, sondern vom Verlag 8. Mai GmbH als Verlegerin der Tageszeitung junge Welt.

Dritter Akt: Verlag und Redaktion der jungen Welt mußten in der Vergangenheit viel Aufwand aufgrund kleinerer und größerer juristischer Angriffe von seiten der ND-Leitung treiben. Mittlerweile kehrte etwas Ruhe ein, dabei sollte es auch bleiben. Um die aktuelle Geschichte möglichst rasch vom Tisch zu haben, entschließen sich Verlag und Redaktion, die neueste Attacke des ND öffentlich zu machen. Am Samstag, den 21.Juni wurden deshalb in der jungen Welt die Schreiben des ND und die Antwort des junge-Welt-Verlages veröffentlicht.


Die neuesten Entwicklungen

Vierter Akt: Anstatt nun die Sache auf sich beruhen zu lassen, erreichte uns am 26. Juni 2003 ein neues Schreiben, diesmal von einem Rechtsanwalt im Auftrag von »1. Herrn Dr. Wolfgang Spickermann und 2. die Neue Deutschland Druckerei und Verlag GmbH« an »1. Verlag 8. Mai GmbH und 2. Herrn Dietmar Koschmieder«. Letzteren wird darin vorgeworfen, mit der Veröffentlichung des ND-Schreibens am 21. Juni Persönlichkeitsrechte, Unternehmenspersönlichkeitsrechte sowie Urheberrechte und Wettbewerbsrechte ersterer verletzt zu haben. Deshalb wird ein weiteres Unterlassungsbegehren an Verlag 8. Mai GmbH und Dietmar Koschmieder gestellt. Verlag und Koschmieder sollen es unterlassen, »(aus) Anspruchschreiben wegen... möglicher Rechtsverletzungen« von Herrn Spickermann oder von der Neuen Deutschland Druckerei und Verlag GmbH »wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten oder zu zitieren«, ansonsten sei eine Strafe von je 5001 Euro fällig. Hätte Koschmieder als Geschäftsführer und Privatperson, wie verlangt, die Unterlassungserklärung unterschrieben, wäre folgende Situation denkbar: Koschmieder steht am junge-Welt-Stand auf dem PDS-Parteitag in Berlin-Kreuzberg. Er verteilt die aktuelle Zeitung mit diesem Beitrag an einen Passanten, und er übergibt auch die Ausgabe vom vergangenen Samstag einem Delegierten. Das könnte zum Anlaß genommen werden, ohne weiteres Prozedere 40000 Euro an Strafen geltend zu machen.

Es soll also tatsächlich unter saftige Strafe gestellt werden, wenn unsere Leserinnen und Leser auch künftig in der jungen Welt über Inhalte von »Anspruchschreiben« der ND-Geschäftsführung informiert werden. Verboten wäre die komplette Wiedergabe in der jungen Welt (wie am vergangenen Samstag), verboten wäre es, einzelne Stellen daraus wiederzugeben (wie in diesem Beitrag), ja wir dürften nicht einmal sinngemäß aus diesen Schreiben zitieren. Hier geht es also darum, ob wir Rechte verletzt haben, weil wir unsere Leserinnen und Leser über diese Vorgänge informieren, also eine Reihe von Rechten wahrgenommen haben – es geht also darum, uns und den jW-Leserinnen und -Lesern eine Reihe von Rechten abzusprechen. Was den ND-Geschäftsführer zu so einem Verhalten treibt, ist uns allerdings völlig unklar. Wir sehen jedenfalls keine Veranlassung, einen Kleinkrieg gegen das ND zu führen.

Fünfter Akt: Deshalb haben wir gute Gründe, in beiden Fällen in gesonderten Schreiben das Verlangen nach Unterzeichnung der Unterlassungserklärungen zurückzuweisen.

Verlag und Redaktion

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!