Leichtigkeit der Lappen
Wer kennt sie nicht, die Bilder vom verhüllten Reichstag 1995? »Ein Irrer wickelt Lappen um ein Haus«, ätzte damals Peter Hacks in einem Gedicht. Ein Wolfgang Schäuble hält die Aktion natürlich auch heute noch für ein »unvergessliches Vergnügen«, dank dessen die Bundesregierung mit »fröhlicher Leichtigkeit« zurück in die Reichshauptstadt Berlin ziehen konnte. Urheber des publicityträchtigen Projektes, dessen Tiefsinn im Wortsinne in maximaler Oberflächlichkeit bestand, war der US-Künstler Christo. Nun ist der gebürtige Bulgare am Sonntag im Alter von 84 Jahren in seiner New Yorker Wohnung gestorben, wie es auf seiner Website hieß.
In Deutschland wurden der am 13. Juni 1935 geborene Christo Wladimirow Jawaschew und seine Ehefrau Jeanne-Claude Denat de Guillebon (1935–2009) vor allem durch die Verhüllung des Reichstags in Berlin mit 100.000 Quadratmetern Spezialstoff bekannt. Die Aktion lockte fünf Millionen Besucher an. Zu anderen berühmten Projekten des Künstlerpaares zählten die safranfarbenen Tore im New Yorker Central Park (»The Gates«), die schwimmende, mit Nylongewebe bezogenen Stege auf dem Wasser des Iseosees in der Lombardei (»Floating Piers«) sowie die verpackte Brücke Pont Neuf in Paris. Für das kommenden Jahr hatte Christo seine nächste Aktion geplant: die Verhüllung des Pariser Triumphbogens. Das Projekt soll trotz seines Todes weitergeführt werden. (dpa/jW)
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Klaus P. Jaworek, Büchenbach: Kraft der Kreativität Vielleicht hätte Christo auch uns Menschen, demnächst passend zur aktuellen Coronakrise, zeitgemäß verhüllen wollen. »Verhüllung ist Verheißung.« (»Christo« Jawascheff, 1935–2020, bulgarisch-amerikani...
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