Mindestlohn regelmäßig unterlaufen
Von Oliver RastVerstöße gegen das Mindestlohngesetz sind keine Seltenheit. Das ergab die Mindestlohnauswertung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die der Dachverband am 18. Mai vorstellte.
Grundlage für die Berechnungen seien vorwiegend Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die mithilfe des Sozioökonomischen Panels (SOEP) erhoben wurden, sagte Robby Riedel, Referatsleiter Marktregulierung und Verteilungspolitik beim DGB-Bundesvorstand, am vergangenen Freitag jW. Um die Anzahl der Verstöße seit Einführung der Lohnuntergrenze im Jahr 2015 zu ermitteln, hat Riedel darüber hinaus auf weitere Auswertungen des DIW zu den Unterschreitungen des Mindestlohns und auf die Mindestlohnberichte der Mindestlohnkommission zurückgegriffen.
Die aktuelle DGB-Analyse zeigt, dass Beschäftigte seit 2015 so um insgesamt 14,5 Milliarden Euro geprellt wurden. Das sind 2,9 Milliarden Euro jährlich, im Durchschnitt entgingen den betrogenen Lohnabhängigen im Jahr pro Person demnach 1.350 Euro netto – oder anders ausgedrückt: rund 6.750 Euro seit 2015.
Der volkswirtschaftliche Schaden ist erheblich: »Der Gesamtverlust aufgrund von Mindestlohnverstößen, also die Summe aus geringerer Kaufkraft, Steuerausfällen und geringeren Einzahlungen in die Sozialversicherungen, beläuft sich auf über 25 Milliarden Euro«, schreibt der DGB in seiner Auswertung.
Allein dem Fiskus entgingen so etwa 2,5 Milliarden Euro. Das ist laut DGB mehr als das Budget der für die Mindestlohnkontrolle zuständigen Zollbehörde Finanzkontrolle Schwarzarbeit.
Mitte 2020 soll die Mindestlohnkonferenz, also das Gremium von Vertretern der Gewerkschafts- und Kapitalseite sowie Arbeitsmarktexperten, eine Empfehlung für eine Anhebung der Lohnuntergrenze für die Zeit ab Januar 2021 aussprechen. Umgesetzt wird eine »Anpassung« des Mindestlohns aber erst, wenn das Bundeskabinett dem zustimmt. Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied und Mitglied der Mindestlohnkommission, bekräftigte am 23. Mai gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: »Die Gewerkschaften fordern 60 Prozent vom mittleren Einkommen bei Vollbeschäftigung – das sind aktuell zwölf Euro.«
Dem DGB ist klar: Der Mindestlohn ist nicht mehr als die »unterste Haltelinie, die Anstandsgrenze« – und kann allgemeinverbindliche Tarifverträge für die Beschäftigten nicht ersetzen.
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