Hintergrund: Die Nationale Befreiungsarmee
Die Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) ist heute die älteste aktive Guerillaorganisation der Welt. Sie wurde am 4. Juli 1964 im Zeichen der erfolgreichen kubanischen Revolution gegründet, geprägt vom »Guevarismus« und der christlichen Befreiungstheologie. Wegen eines von der kolumbianischen Regierung bei Interpol erwirkten internationalen Haftbefehls sitzen heute mehrere ihrer prominentesten Comandantes auf Kuba fest. Die kolumbianische Regierung des rechten Präsidenten Iván Duque hatte zuvor die Friedensverhandlungen mit der ELN abgebrochen, die seit 2016 in Havanna durch seinen Vorgänger Juan Manuel Santos geführt worden waren.
Das hier abgedruckte Interview wurde in der Nähe des Nationalparks Catatumbo Barí geführt. Dieser liegt zwischen der Gebirgskette der Anden und den Bergen der Sierra de Perijá. Im Osten grenzt die Region an Venezuela, im Norden an das Departamento La Guajira am Karibischen Meer. Wegen seiner Abgeschiedenheit und teils undurchdringbaren Natur bietet das Terrain ideale Bedingungen für das Agieren der Guerilla.
Da es sich beim Catatumbo um eine vom Staat vernachlässigte Region handelt, wird der Krieg hier mit besonderer Härte geführt. Zu den bewaffneten Konfrontationen zwischen den offiziellen kolumbianischen Streitkräften, der ELN und verschiedenen paramilitärischen Gruppen, die in den Drogenhandel verwickelt sind, kommen Abspaltungen zweier früherer Guerillaorganisationen hinzu: Teile der »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes« (FARC-EP) sowie die »Volksbefreiungsarmee« (EPL).
Erstere setzt sich aus Guerilleros zusammen, die das 2016 mit der kolumbianischen Regierung geschlossene Friedensabkommen der FARC-EP nicht anerkennen. Sie unterhalten ein freundschaftliches, aber angespanntes Verhältnis zur ELN. Die ehemaligen Maoisten des EPL hingegen werden von der ELN als Feinde angesehen und bekämpft, da sie tief in den Drogenhandel verwickelt sind. Die im Catatumbo operierende Front der ELN ist nach dem spanischen Priester Manuel Pérez Martínez benannt, der als Comandante bis zu seinem natürlichen Tod im Jahr 1998 einer der wichtigsten Strategen der Guerilla gewesen war.
Um zum Ort des Interviews zu gelangen, müssen mehrere Kontrollpunkte der kolumbianischen Streitkräfte passiert werden. Nachdem ich schließlich verschiedene Dörfer hinter mir gelassen habe, warten die Mitglieder einer ELN-Kolonne auf mich – nicht nur die Einheiten der Front »Manuel Pérez Martínez«, sondern auch die der Front »Camilo Torres«. Der katholische Priester Camilo Torres, der sich schon früh der ELN angeschlossen hatte, kam am 15. Februar 1966 während eines Gefechts mit der kolumbianischen Armee ums Leben. (ua)
Ähnliche:
- 20.06.2020
Kopfgeld auf Guerilleros
- 01.11.2019
»Wie lange hätten wir noch warten sollen?«
- 04.09.2019
Duque setzt auf Krieg
Mehr aus: Schwerpunkt
-
»Wir haben kein Vertrauen in die Regierung«
vom 08.07.2020