Hintergrund: »Good Governance«
Obschon aus mehreren Quellen gespeist, gilt die 1989 veröffentlichte Afrikastudie der Weltbank als Ausgangspunkt der »Good-Governance-Debatte«, die sich mit Entwicklungsproblemen vorwiegend in Subsaharaafrika auseinandersetzte. Bei dem Konzept der »Good Governance« (Gute Regierungsführung) standen also von Anfang an nicht die Welt und damit auch die Regierungen der westlichen Länder im Fokus, sondern sogenannten Entwicklungsländer, denen die eigenen Werte vermittelt, um nicht zu sagen übergestülpt werden sollten. Gegen die allgemeinen seinerzeit erhobenen Forderungen, im Dienst des Gemeinwohls zu handeln, Transparenz zu schaffen, Verantwortlichkeiten festzulegen, Korruptionskontrolle auszuüben, ließ sich damals scheinbar wenig einwenden, und so schrieben afrikanische Staaten den Begriff auf ihre Agenda.
Inzwischen ist »Good Governance« zu einem zentralen Paradigma der Entwicklungspolitik avanciert. Nicht nur die Weltbank, sondern auch der IWF und die OECD operieren mit dem Konzept. Heute stehen neben Verwaltungstransparenz vor allem Effizienz und Marktwirtschaft im Vordergrund. Schrittweise sind entwicklungspolitische Leistungen auch wieder mit »Reformen« verknüpft worden, eine politische Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit wird praktiziert.
Zweifelsohne wünschen sich die Menschen in vielen afrikanischen Staaten eine bessere Regierungsführung. Das heißt aber nicht, dass sie automatisch und zeitgleich traditionellere und informelle Erwartungen aufgeben würden. Die Wertesysteme sind nicht total deckungsgleich. Beispielsweise ist manches, was im Westen als Korruption gilt, in Afrika notwendiger Bestandteil traditionellen Handelns. Die Verantwortung eines Herrschaftssystems sehen viele Menschen in Entwicklungsländern nicht vorrangig darin, die wirtschaftliche Leistung zu maximieren, wie Emma C. Murphy vom Trinity College in Dublin schreibt. Rezepte für verantwortliche Regierungsführung müssten deshalb so unterschiedlich sein wie die Länder und ihre Kultur. »Nichtwestliche Gemeinschaften haben ein wohlverstandenes Eigeninteresse, Institutionen demokratisch zu gestalten, um die hegemonialen Tendenzen der westlichen postindustriellen Kultur abzuwehren und zu verhindern, dass ihre eigenen unterschiedlichen Identitäten von der ›McDonald’s-Kultur‹ verdrängt werden.« (cs)
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