Hintergrund: Expansion im Mittelmeer
Frankreich hat immer wieder versucht, in seinem traditionellen Einflussgebiet am Mittelmeer ein Gegengewicht gegen die deutsche Dominanz in der EU und gegen die vorrangige Ausrichtung der Union auf das herkömmliche deutsche Expansionsgebiet im Osten zu schaffen. Ein Beispiel dafür war die »Mittelmeerunion«, deren Gründung der damalige Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy im Februar 2007 vorschlug und nach seinem Wahlsieg im Mai 2007 zu realisieren suchte. Er scheiterte letztlich an Berlin: Der Bundesregierung gelang es, das Projekt, da es ihrer Ansicht nach vor allem Paris genutzt hätte, zu verwässern und damit letztlich unwirksam zu machen.
Seit 2016 versucht sich die französische Regierung an einem alternativen Projekt: an Euromed 7 (frz. Méditerranée), einem lockeren Bündnis aller EU-Mittelmeeranrainer außer Slowenien und Kroatien. Der Gruppe gehören Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Zypern und Malta an. Übereinstimmende Interessen gibt es einige; sie reichen vom Kampf gegen die deutsch-nordeuropäisch inspirierten Spardiktate bis zu stärkerer Unterstützung bei der Migrationsabwehr.
Paris sucht die südlichen EU-Staaten nun auch als Pressure-Group für eine härtere Politik der EU gegenüber der Türkei zu nutzen. Deren aggressives Vorgehen im östlichen Mittelmeer richtet sich unmittelbar gegen Griechenland und Zypern. Auch Italien ist betroffen, da der italienische Energiekonzern Eni wie der französische Konkurrent Total südlich von Zypern nach Erdgas sucht, und Italien Zielland der geplanten Erdgaspipeline aus den dortigen Gasfeldern über Kreta und das griechische Festland ist – die Eastmed-Pipeline. Am vergangenen Mittwoch einigten sich die Euromed-7-Staaten, in der EU gemeinsam für härtere Maßnahmen gegen Ankara einzutreten. Ob das gelingt, wird man beim EU-Gipfel am 24. und 25. September beobachten können. (jk)
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