Xi lesen
Der Großbuchhändler Thalia steht wieder einmal in der Kritik. Allerdings nicht wegen der forcierten Verdrängung von inhabergeführten Buchhandlungen oder seiner harten Preispolitik gegenüber Verlagen, nicht einmal dafür, dass Thalia-CEO Michael Busch neulich in einer Videobotschaft von seinen Mitarbeitern verlangte, mit unbezahlten Überstunden die Rendite des Großkonzerns zu sichern (Umsatz 2019 1,2 Milliarden Euro). Sondern wegen einer Kooperation mit dem chinesischen Buchimporteur CNPIEC. In drei Filialen in Hamburg, Berlin und Wien wird ein Buchsortiment zur Volksrepublik angeboten, welches das chinesische Staatsunternehmen in Absprache mit Thalia zusammengestellt hat. Ein zeitlich begrenzter »Service für die wachsende chinesische beziehungsweise an China interessierte Community in Deutschland«, wie das Unternehmen am Freitag betonte. Dass sich in dem Sortiment neben Kinderbüchern, Reiseliteratur, Lyrik und Belletristik auch dem Sozialismus gewogene politische Literatur befindet, etwa »China regieren« des chinesischen Staatspräsidenten und KPCh-Vorsitzenden Xi Jinping, brachte übers Wochenende nicht nur die Gemüter antikommunistisch gestimmter Journalisten und Nutzer der »sozialen Medien« in Wallung, sondern auch die Politik: So kritisierte die Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Dagmar Schmidt (SPD) gegenüber der dpa, die Kooperation habe »ein Geschmäckle«, sie sei Teil einer Strategie: »China schaut gerade, wie weit es gehen kann. Man will ein Monopol auf die eigene Außenwirkung.« Man müsse darüber sprechen, ob »wir Meinungen als gleichwertig betrachten können, die aus einer Diktatur stammen«. Weil die Thalia-Kunden bei der Xi-Lektüre auf die Idee kommen könnten, es mal mit einer Gesellschaft jenseits von Sozialdemokratie und Buchhandelsoligarchen zu versuchen? (jW)
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