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Aus: Ausgabe vom 20.05.1997 / Ausland

Albaniens Opposition stellt Forderungen

Parteienbündnis droht mit Wahlboykott, sollte Berisha stur bleiben

Die albanische Opposition ist nur unter bestimmten Bedingungen bereit, an den vorgezogenen Parlamentswahlen am 29. Juni teilzunehmen. Die Übergangsregierung müsse das Recht erhalten, die zentrale Wahlkommission zu ernennen und den Zuschnitt der Wahlkreise zu bestimmen, hieß es in einem am Samstag in Tirana veröffentlichten Forderungskatalog von acht Oppositionsparteien. Entscheidungen soll die Wahlkommission nur mit Zweidrittelmehrheit treffen können. Außerdem müßten darin internationale Beobachter vertreten sein. Die acht Opposi-tionsparteien verlangen zudem, daß binnen dreier Tage ein neuer Chef der Geheimpolizei und ein neuer Rundfunkrat ernannt werden, dem auch Oppositionspolitiker angehören sollen. In der Erklärung hieß es, diese Vorschläge seien die letzte Kompromißmöglichkeit.

Die Erklärung der Opposition wurde aus Anlaß eines »Runden Tisches« veröffentlicht, zu dem Ministerpräsident Bashkim Fino die Parteien versammelt hatte, um angesichts der Krisenstimmung im Vorfeld der Wahlen doch noch eine Einigung zu erzielen. Präsident Sali Berisha hatte am Freitag das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 29. Juni angesetzt. Er unterzeichnete zugleich ein von der Parlamentsmehrheit verabschiedetes Wahlgesetz, wonach der Urnengang überwiegend nach dem Mehrheitswahlrecht stattfinden soll. Die oppositionellen Sozialisten fordern eine Abstimmung nach dem Verhältniswahlrecht und drohen mit Wahlboykott.

Angesichts der wieder verhärteten Fronten zwischen der albanischen Opposition und Präsident Sali Berisha hat die internationale Staatengemeinschaft an die politischen Parteien appelliert, sich über das umstrittene Wahlgesetz zu einigen. Die EU-Ratspräsidentschaft drohte, die EU werde ihre Hilfsleistungen für Albanien überdenken, wenn sich an der »beunruhigenden« Lage nichts ändere. BRD-Außenminister Klaus Kinkel sagte am Sonntag in einem Telefongespräch mit dem albanischen Ministerpräsidenten Bashkim Fino, Wahlen »müßten unbedingt von allen politischen Kräften getragen und anerkannt werden«. Am Montag teilte die Polizei mit, binnen 24 Stunden seien in Albanien elf Menschen erschossen worden.

AFP/jW

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