»On/Off«-Modus
Museen, Theater und Konzerthäuser sind in diesem Monat genauso geschlossen wie andere Freizeiteinrichtungen auch. Die Gleichbehandlung hat zu einigen Unmutsbekundungen geführt. Wichtiger als schnöde Freizeitvergnügen sei die Selbstverständigung des Bürgertums, erinnerten Hochkulturveranstalter in gemeinsamen Protestnoten. Gelegenheit für Nordrhein-Westfalens Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos), die Branche in die Schranken zu weisen. »Die Kultur muss aufpassen, dass sie nicht immer eine Extrawurst brät«, sagte die Ministerin am Freitag im Kulturausschuss des Landtags. Die Szene solle sich »nicht zu sehr aus dem gesellschaftlichen Konsens herausbewegen«, fügte sie drohend hinzu – das könne der Kultur dauerhaft schaden.
Amtskollegen in anderen Bundesländern schlugen sich eher auf die Gegenseite. Kultur werde zu Unrecht der Freizeit zugeschlagen, erklärte am Freitag etwa die hessische Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD). »Kultur hat auch einen Bildungsauftrag. Wir müssen Wege finden, Kultur unter Coronabedingungen zu ermöglichen.« Hartwigs Dezernat unterstützt die Forderung, Museen, Theater und Konzertsäle bei den nächsten Lockerungen zuerst wieder zu öffnen.
Am Freitag hatten große Berliner Bühnen wie das Berliner Ensemble, das Deutsche Theater und die Staatsoper Unter den Linden in einem offenen Brief darauf bestanden, »mehr als reine Freizeitangebote« zu sein, nämlich »Orte der Begegnung, des Diskurses, der Bildung und Aufklärung, aber auch des ästhetischen Genusses«. »Wir benötigen dringend eine Perspektive«, erklärten die Theater. Ein Betrieb im »On/ Off«-Modus – »insbesondere ohne längerfristige Vorankündigung« – mache die Planung und Arbeit unmöglich. Die erneute Schließung erschüttere das gerade wieder gewonnene Vertrauen des Publikums. Viele freischaffende Künstler erhielten keine Aufträge mehr.
Für solche Soloselbständigen hat sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gerade in einer Art Brandbrief an ihre Länderkollegen eingesetzt. Eine geplante Regelung, nach der sie unbürokratisch bis zu 5.000 Euro Soforthilfe beantragen können, sei »essentiell und wird, wie Sie wissen, im gesamten Kulturbereich erwartet«, heißt es in dem Schreiben. Grütters zeigt sich »alarmiert, zu hören«, dass es »Widerstände seitens der Wirtschaftsministerien der Länder gegen diese Regelung geben soll«. An ihr sei »unbedingt festzuhalten«, so Grütters in einem »dringenden Appell« an die Kulturminister – mehr als 1,5 Millionen Freiberufler seien in ihrer Existenz bedroht. (dpa/jW)
Regio:
Mehr aus: Feuilleton
-
Wer die Nerds verärgert
vom 09.11.2020 -
Wiener Massaker
vom 09.11.2020 -
Jung im Sinne von alt: Berufsperspektiven bei der CDU
vom 09.11.2020 -
Nachschlag: Handfeste Elitenkritik
vom 09.11.2020 -
Vorschlag
vom 09.11.2020 -
Immer dieselben alten Turnschuhe
vom 09.11.2020