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Aus: Ausgabe vom 21.05.1997 / Ausland

Sturm auf die Colonia

Chile: Wachleute der Siedlung verhaftet

Nach mehr als einwöchiger Belagerung hat die chilenische Polizei am Montag die berüchtigte deutsche Siedlung Colonia Dignidad gestürmt, in der sich der Sektenführer und ehemalige NS-Unteroffizier Paul Schäfer versteckt haben soll. Gegen Schäfer ist seit vergangenem August ein Haftbefehl wegen sexuellen Mißbrauchs minderjähriger Jungen offen. Vergangenen Donnerstag hatte Schäfer in einer Erklärung, die vom »Außenminister« der Kolonie, Helmut Hopp, vor Journalisten verlesen wurde, mitgeteilt, er werde sich auf keinen Fall der Justiz stellen. Die Berichte über sexuellen Mißbrauch seien von den ermittelnden Beamten manipuliert, er fürchte um sein Leben, sollte er diesen in die Hände fallen. Am Tag darauf hatte der chilenische Präsident Eduardo Frei bekräftigt, er unterstütze alle Handlungen der Justiz, die zur Ergreifung Schäfers führen - interpretierbar als Seitenhieb gegen einflußreiche Kreise aus dem Umfeld des Ex-Diktators Pinochet, zu denen die Kolonie gute Kontakte hat.

Unterdessen wurden zwei chilenische Wachmänner der Siedlung unter dem dringenden Tatverdacht festgenommen, am Vortag zwei Journalisten der ARD mit Messerstichen und Steinen angegriffen, ihre Filme geraubt und ihre Kameraausrüstung zerstört zu haben. Der chilenische Kameramann German Malie und der deutsche Reporter Gero Gemballa, der 1988 ein Buch über die Siedlung veröffentlicht hatte, wollten nach ARD-Angaben für das Magazin »Monitor« einen Bericht über die Siedlung drehen. Nach Angaben ihres Anwalts Hernan Fernandez erkannten seine Mandanten die Brüder Adelino und Mariano Gonzalez Valverde bei einer Gegenüberstellung wieder. Die Journalistin Christine Krusche vom ARD-Team sagte, wenn Malie sich geweigert hätte, die Filmkassetten herauszurücken, wäre er »heute ein toter Mann«.

Offiziell sollte die skandalumwitterte Kolonie, die unter dem Pinochet-Regime nach Aussagen ehemaliger Mitarbeiter des chilenischen Geheimdienstes als Folterlager genutzt wurde, bereits 1991 per Präsidentendekret geschlossen werden. Wie ernsthaft die Ermittlungen gegen die Kolonie betrieben werden, wird sich erweisen. Nach Aussagen von zwei aus der Kolonie geflüchtete Sektenmitgliedern, Hugo Baar und Lotti Backmoor, sollen sich dort mindestens 50 Maschinenpistolen und mehr als doppelt so viele Handfeuerwaffen befinden. Andere Quellen berichteten von halbautomatischen Gewehren, Panzerwagen und anderen schweren Waffenausrüstungen.

jW/AFP

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