No pasarán!
Erstaunlich: Die aktuelle deutsche Regierung kann offen und ehrlich sein. Das beweist ihre Antwort auf eine kleine Anfrage von 51 Abgeordneten der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag an die Bundesregierung. Sie wollten wissen, weshalb die junge Welt als einzige Tageszeitung jährlich im Verfassungsschutzbericht genannt wird. Namens der Bundesregierung nennt Prof. Dr. Günter Krings viele Punkte, mit denen nachgewiesen wird, dass die junge Welt marxistisch sei und sie deshalb von der Regierung mit geheimdienstlichen Mitteln verfolgt wird.
Vorwurf: Mit Kuba solidarisch
Als einer der Belege für den marxistischen Ansatz der Zeitung dient ihre internationalistische Haltung. So erkläre sie sich »mit kommunistischen und sozialistischen Ländern wie z. B. Kuba solidarisch« und unterstütze deren Politik, empört sich Krings. Er deckt weiter auf, dass die jW in ihrer Berichterstattung Befreiungsbewegungen als Befreiungsbewegungen bezeichne (und eben nicht, wie gewünscht, als Terrororganisationen), weshalb die junge Welt »nicht objektiv, sondern tendenziös« sei. Die »Art und Weise dieser Berichterstattung der jW ist ein Aspekt unter mehreren, aufgrund derer eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht als relevante extremistische Bestrebung erfolgt ist«, erklärt der Herr Professor im Namen der Bundesregierung. Ein weiterer Beleg: Die jW veranstalte seit 1996 jährlich die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, »an der sich überwiegend Linksextremisten aus dem In- und Ausland« beteiligen würden.
Von Davis bis Zirngast
Gemeint sind damit Gäste wie die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis, der südafrikanische ANC-Kämpfer Denis Goldberg (auch so eine Befreiungsbewegung, die man früher mal Terrororganisation nennen musste), der Bildhauer und Grafiker Alfred Hrdlicka aus Österreich, der Philosoph Achille Mbembe aus Kamerun, der italienische Wissenschaftler Domenico Losurdo, der Soziologe und Historiker Moshé Zuckermann aus Israel, der Träger des Alternativen Nobelpreises Nnimmo Bassey aus Nigeria, der Wirtschaftswissenschaftler Ding Xiaoqin aus China, die Sozialministerin Clotilde Ohouochi von der Côte d’Ivoire, aus Kuba der Journalist Enrique Ubieta, Karl Ghazi von der französischen Gewerkschaft CGT, der Journalist Max Zirngast aus Österreich, der kanadische Professor für Wirtschaftswissenschaften Michel Chossudovsky oder die Präsidentin des Weltfriedensrats Maria do Socorro Gomes Coelho aus Brasilien – um nur einige wenige der vielen »Linksextremisten« aus dem Ausland zu nennen, die bisher an der Rosa-Luxemburg-Konferenz teilgenommen haben.
Nährboden entziehen
Aber die Konferenz ist nicht einfach nur nach einer Revolutionärin benannt, »die Zeitung (befasst) sich tatsächlich mit Ideologien von Klassikern des Marxismus-Leninismus als Grundlage für ihre eigenen Bestrebungen«, empört sich die Regierung. Die junge Welt gehe in ihrer Berichterstattung sogar so weit, dass »oftmals positiv Bezug genommen (wird) auf die kommunistischen Vordenker (vor allem Wladimir I. Lenin, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Karl Marx und Friedrich Engels)«. Die messerscharfe Schlussfolgerung daraus: »Die Auswahl der Artikel und Meinungsäußerungen lässt eine bestimmte inhaltliche Linie erkennen.« Zum Beispiel eben eine internationalistische, und so etwas will Herrn Krings und der Bundesregierung nun gar nicht gefallen. Weshalb sie auch unumwunden zugeben, dieser Zeitung mit geheimdienstlichen Mitteln, darunter mit der Nennung im Verfassungsschutzbericht, »den weiteren Nährboden entziehen« zu wollen. Denn natürlich wissen die Schlapphüte und ihre Auftraggeber: Ohne ausreichend Print- und Onlineabonnements kann eine von Parteien, Unternehmen oder Kirchen unabhängige Zeitung wie die junge Welt nicht existieren und könnte auch keine Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz mit Tausenden Teilnehmern durchgeführt werden.
Kraftvolle Konferenz
Die richtige Antwort auf dieses erstaunlich offene, aber besonders undemokratische Agieren der Regierung kann, ganz internationalistisch, nur sein: No pasarán! Damit kommt Ihr nicht durch! Euch wird es weder gelingen, die junge Welt und ihre Konferenz zu kriminalisieren noch ihre Leserinnen und Leser und die internationalen Gäste der Konferenz. Und die Folge Eurer Verstöße gegen Meinungs- und Pressefreiheit wird nicht das Schrumpfen von Aboauflage der Zeitung und der Besucherzahlen der Konferenz sein, sondern das genaue Gegenteil. Unsere erste Antwort auf das verfassungsfeindliche Agieren der Regierung lautet deshalb: 1.000 neue jW-Abonnements für die Pressefreiheit!
Die ersten 290 Abos
Davon haben wir bereits 290 erreicht! Und die kommende XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag, den 8. Januar 2022, wird die bestbesuchte aller Zeiten sein – digital wie vor Ort in Berlin. Unsere Leserinnen und Leser fordern wir auf: Lassen wir uns nicht einschüchtern! Verteidigen wir unsere demokratischen Grundrechte! Jedes zusätzliche Abonnement und jeder Umstieg auf eine höhere Preisklasse zählt! Bereiten wir eine kraftvolle solidarische Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz vor! Und freuen wir uns auf ein großartiges Fest zum 75jährigen Bestehen der Tageszeitung junge Welt im Februar 2022!
Verlag, Redaktion und Genossenschaft
Die Antwort der Bundesregierung kann hier vollständig nachgelesen werden: jungewelt.de/br_anfr
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Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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