Der Countdown läuft
Dreimal umgezogen sei wie einmal abgebrannt, sagt der Volksmund. Wenn das richtig wäre, dann dürfte von der jungen Welt demnächst nicht mehr viel übrig sein. Denn am 14. November ziehen wir zum dritten Mal seit 1990 um. Auch wenn es so schlimm nicht kommen wird, ein finanzieller Kraftakt sind Umzüge schon. 1991 fügten es der Besitzerwechsel und die vorhergegangene Privatisierung der früheren FDJ-Zeitung, daß sich der jW-Troß aus der Mitte Berlins in Richtung Vorstadt in Bewegung setzen mußte. Statt »Karl-Liebknecht-Straße, Berlin-Mitte«, lautete die neue Adresse »Am Treptower Park«. Dort überlebten wir 1995 einen Konkurs, weil sich die Belegschaft entschlossen hatte, die jW künftig in Eigenregie herauszugeben. Dank unserer Leserinnen und Leser gelang das seltene Experiment, eine bundesweit vertriebene Tageszeitung herauszugeben, ohne einen finanzkräftigen Verlag im Rücken, ohne kapitalistisch geprägte Besitzstrukturen, aber mit viel Professionalität und Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Treptow gründeten wir unsere Genossenschaft, die inzwischen Hauptanteilseigner der Verlags-GmbH ist. Dort zerrieben wir uns gelegentlich fast im Ringen um die richtige Blattlinie, wurden aber letztlich weder durch polizeiliche Hausdurchsuchungen noch durch juristische Attacken unserer Gegner in die Knie gezwungen. Denn immer, wenn es eng wurde, konnten wir auf die Solidarität unserer Leserinnen und Leser zählen. Spenden, Eintritte in die Genossenschaft, das Schalten von Soli-Abonnements – alles half, die Zeitung weiterzuführen. 1999 kehrte die junge Welt zurück in die Karl-Liebknecht-Straße. Dort war die Miete niedriger, wir fanden deutlich bessere Arbeitsbedingungen vor. Und weil nicht in erster Linie die Standorttradition unser Handeln bestimmt, sondern der Druck der Finanzen, bleiben wir nach der Kündigung unserer jetzigen Räume durch den Vermieter in derselben Straße. Nur die Hausnummer ändert sich - von 32 in 33.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!