Hintergrund: Streik bei Bahnern
Es war ein klares Signal. Mehr als 95 Prozent der Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die an der Urabstimmung teilgenommen hatten, votierten für Arbeitskampfmaßnahmen – also für Streiks. Das hatte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky am vergangenen Dienstag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben. Wenige Stunden später ging es los. Zunächst mit dem Stillstand des Güterverkehrs. Ein bundesweiter Streik im Personenverkehr und in den Betrieben der Bahninfrastruktur folgte von Mittwoch morgen zwei Uhr bis Freitag morgen zwei Uhr, 48 Stunden also. Eine Art Warm-up. »Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnte der Streik gar nicht lange genug dauern«, sagte Weselsky vergangene Woche.
Zum Hintergrund: Die Lokführergewerkschaft will ein Entgeltplus von 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten durchsetzen. Ferner eine Coronaprämie von 600 Euro im Jahr 2021. Eine Nullrunde werde nicht akzeptiert, betonte die GDL. Und nicht zuletzt sei »die Fortsetzung der betrieblichen Altersversorgung unabdingbar«. Weselsky und seine Mitstreiter orientieren sich dabei am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Und die Gegenseite? Für die DB gilt der »Notlagentarifvertrag« der Flughäfen als Blaupause. Ein Vertragswerk mit Nullrunde und einer Laufzeit von 40 Monaten. Unverhandelbar, befand die GDL. Deshalb der Abbruch der Tarifgespräche Ende Juni und die Mobilisierung zum Kräftemessen. »Die Eisenbahner sind wütend auf ihren Arbeitgeber«, stellte Weselsky klar.
Die Effekte: »Die DB kann nicht garantieren, dass alle Reisenden heute wie gewünscht an ihr Ziel kommen«, hieß es am vergangenen Mittwoch aus der Pressestelle des Konzerns. Konkret: Im Fernverkehr mit ICE, Intercity und Eurocity fuhr nach Bahn-Angaben etwa jeder vierte Zug. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr schwankte das Angebot örtlich stark. »Ein Streikschwerpunkt liegt in den östlichen Bundesländern«, erklärte die DB weiter. Nach dem GDL-Beschluss am Dienstag hatte die Bahn 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen. Priorität hatten demnach oft genutzte Verbindungen zwischen Berlin und dem Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Hamburg und Frankfurt am Main sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Also musste selbst die DB trotz anderslautender Aussagen eingestehen, dass Streiken wirkt.
Der GDL geht es um mehr: um die Organisationsmacht deutscher Gewerkschaften insgesamt. »Die Gegenseite wird nicht dadurch beeindruckt«, sagte Weselsky am Montag im jW-Exklusivgespräch, »weil ich flotte Sprüche klopfe.« Konzernbosse ließen sich nur dann »überzeugen, wenn Gewerkschaften durchhalten, Arbeitskämpfe erfolgreich führen und dadurch mitgliederstärker werden«. Auch dieses Signal wolle die GDL senden. (or)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. August 2021 um 21:14 Uhr)Ich wünsche den Mitgliedern der GDL und ihrer Organisation die nötige Kraft, die Konzernbosse zu überzeugen!
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