Hintergrund: Auf der Flucht
»Ein langsamer und schmerzhafter Tod hat keine Würde«, erklärte Surangel Whipps, Präsident des pazifischen Inselstaats Palau, auf der Klimakonferenz COP 26. »Ihr könntet genauso gut unsere Inseln bombardieren, anstatt uns dieses Leid zuzufügen und Zeugen unseres allmählichen und schmerzhaften Untergangs zu werden.« Mehrere Inseln in Mikronesien sind bereits untergegangen, und der jüngste Bericht der Weltbank sieht in naher Zukunft den Status der Marshallinseln als Nation gefährdet. Die über 1.000 Inseln der Malediven liegen alle nur rund einen Meter über dem Meeresspiegel, die höchste Erhebung des Landes beträgt 2,4 Meter. Die Einwohner vieler bewohnter Inseln, allen voran in Ozeanien, sind existentiell vom Klimawandel bedroht, Millionen Menschen droht Vertreibung.
Rund 40 Prozent der Weltbevölkerung leben gegenwärtig in der Nähe von Küsten. In einer Studie der US-amerikanischen Cornell University aus dem Jahr 2017 wurde geschätzt, dass bis zum Jahr 2100 weltweit bis zu zwei Milliarden Menschen allein aufgrund steigender Meeresspiegel vertrieben und zu Klimaflüchtlingen werden könnten. Zusätzlich zum Anstieg der Meeresspiegel aufgrund schmelzender Pole nehmen bedingt auch Sturmfluten deutlich zu, die Meerwasser weiter ins Landesinnere treiben, erklärt Charles Geisler, Autor der Studie. »Ozeane erobern sich die Landflächen des Planeten zurück«, so Geisler. Die Behörden in Florida bereiteten sich demnach bereits auf einen »Küsten-Exodus« vor. 2019 mussten rund 400.000 Menschen vor dem Zyklon Idai in Südostafrika fliehen.
Andere durch den Klimawandel bedingte, langsam eintretende Ereignisse wie Temperaturanstieg, Wüstenbildung, Verlust der Biodiversität, Versalzung, Land- und Walddegradation sowie Versauerung der Ozeane werden ebenfalls zur Vertreibung beitragen. Die Zahl möglicher Klimaflüchtlinge ist schwer zu prognostizieren. Schätzungen schwanken zwischen 25 Millionen und 1,2 Milliarden bis zum Jahr 2050, wobei meistens 200 Millionen angegeben werden. (jr)
Mehr aus: Schwerpunkt
-
»Nicht nur absurd, sondern verbrecherisch«
vom 18.11.2021