Programm: Und nun zur Kultur …
Am 8. Januar 2022 heißt die Berliner Max-Schmeling-Halle für einen Tag Max-Hoelz-Halle. Max Hoelz? Der deutsche Revolutionär passt einfach besser zum wichtigsten Treffen der deutschsprachigen Linken und internationaler Gäste als der Nazivorzeigeathlet. Und bietet die Gelegenheit für historische Aufklärungsarbeit: Häufig haben junge Linke den Namen des Kommunisten (1889–1933) nie gehört, der erst 1920/21 mit der Waffe in der Hand gegen die deutsche Reaktion kämpfte und ihr dann als Angeklagter in einem der wichtigsten politischen Prozesse der Weimarer Republik Paroli bot. Max Hoelz’ Leben zwischen Knarre und Knast bringt das Simon-Dach-Theater (SiDat!) bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz auf die Bühne. SiDat!-Leiter Peter Wittig hat nach Vorlagen von Volker Braun ein 20minütiges szenisches Oratorium geschrieben, er sieht in Hoelz einen »deutschen Tschapajew«, wie er im jW-Gespräch erklärt. Ob im Oratorium auch das sehnsuchtsvolle Lied »Schwarzer Rabe« anklingt, das der rote Kommandeur in dem berühmten Film der Wassiljew-Brüder von 1934 vor sich hinsingt, während er in der Nacht vor der Schlacht seine Reiterattacken auf die Weißen plant? Zum letztlich tragischen Kampf des Max Hoelz’ würde es passen.
Aufklärungsarbeit musikalischer Art bietet das Quartett Die Grenzgänger. Dlf Kultur hält Michael Zachcial (Gesang, Gitarre), Felix Kroll (Akkordeon), Annette Rettich (Cello) und Frederic Drobnjak (Konzertgitarre) für »große Ausnahmen im Musikgeschäft«. Kann man wohl sagen: Das (deutschsprachige) Volkslied hat es ihnen angetan, und wer dabei an volkstümliche Schlager denkt, hat leider keine Ahnung, erst recht nicht von der Arbeit der 1988 gegründeten Grenzgänger, die man als musikalische »Geschichte von unten« mit Mitteln des Chansons, Blues, Folk und Jazz beschreiben kann. Mitte September ist das Doppelalbum mit den Liedern der Pariser Kommune mit Chansons von Eugène Pottier, Jean-Baptiste Clément, Louise Michel erschienen. Spielerisch sind die vier ausgesprochen professionell, eine gute Ausbildung und viel Liveerfahrung haben bekanntlich noch nie geschadet.
Um den nächsten Krieg geht es wiederum in der Kunstausstellung der Gruppe Tendenzen, und Krieg wird bekanntlich immer geführt von oben gegen unten. Von Kriegen in Permanenz wusste auch der alte Trotzkist Georg Orwell etwas, vor allem von ideologischen, auch wenn er dabei so manchen falschen Dampfer bestieg. Das »1984«-Zitat »Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke« hat 18 Künstlerinnen und Künstler zu Einreichungen motiviert, die meisten werden gezeigt. Viel vom gegenwärtigen Schrecken ist da in Bilder und Skulpturen gebannt – zerstörte Körper, leere Blicke, aber auch entschlossenes Aufbegehren. Sie sezieren die Bestie, wie Hoelz in seiner Moabiter Gerichtsrede sagte. Die Botschaft ist dieselbe wie damals: »Es lebe die Weltrevolution«. (jW)
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Leserbrief von Ulla Ermen (23. November 2021 um 17:13 Uhr)In der Spalte »Und nun zur Kultur« spricht die Redaktion der jungen Welt noch mal das leidige Thema George Orwell an. Trotz vieler kritischer Einwände bleibt es bei dem Zitat von George Orwell aus seinem Roman 1984 (»Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke«) für die Künstlergruppe Tendenzen auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Eine Begründung für die Auswahl lautet: »Von Kriegen in Permanenz wusste auch der alte Trotzkist George Orwell etwas, vor allem von ideologischen, auch wenn er dabei so manchen falschen Dampfer bestieg …« Orwell war weder Trotzkist noch Stalinist und schon gar kein Kommunist. Die soziale Frage interessierte ihn überhaupt nicht. Seine Bewerbung bei den Internationalen Brigaden wurde aus dem Grunde abgelehnt. Er war ein Schriftsteller und Abenteurer, der im Spanischen Bürgerkrieg eine große Story sah. »Krieg ist Frieden« hieß sein Krieg gegen den Kommunismus, der im Spitzeldasein kulminierte. Er verriet Genossen bei der britischen Geheimpolizei. Die CIA unterstützte »als Teil ihres Kalten Krieges, des Kreuzzuges gegen Kommunismus und Antikolonialismus, den weltweiten Vertrieb seiner Bücher«. Das alles kann man lesen in der Broschüre »Zwei Streitschriften vom Spanischen Bürgerkrieg«, herausgegeben vom Kuratorium der Gedenkstätte Ernst Thälmann in Hamburg. Zu empfehlen wäre auch mal das Lesen seiner Bücher. Unsere Google-Zeit arbeitet zugunsten von zusammenhanglosem Halbwissen, was zu falschen Schlüssen führen kann. Vielleicht trägt eine rege Diskussion über dieses Thema auf der Konferenz zu mehr Aufklärung bei!
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