Waigel will Milliarden aus der Trickkiste
Die Bundesbank hat Bundesfinanzminister Theodor Waigel eindringlich vor der geplanten Höherbewertung der deutschen Goldreserven gewarnt. Das Konzept stehe im Widerespruch zu den Vorstellungen des Maastricht- Vertrages über die Unabhängigkeit der Notenbank, kritisierte der Zentralbankrat am Mittwoch abend in Frankfurt am Main. Die Spitze der Bonner Koalitionsparteien erklärten in einer ersten Reaktion, Waigels Pläne beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Bundesbank in keiner Weise. Der Minister will schon im Sommer die zusätzlichen Milliarden per Gesestzesänderung anzapfen. Die Bonner Opposition drang dagegen wegen der Pläne Waigels auf den sofortigen Rücktritt des Finanzministers.
Der Zentralbankrat, der kein Veto gegen die Pläne einlegen kann, erklärte, eine Ausschüttung der stillen Reserven noch in diesem Jahr gefährde das Vertrauen in den Euro. Zu einer nachhaltigen Verbesserung der öffentlichen Finanzen könne die Ausschüttung eines Bundesbank- Sondergewinns ohnehin nur einen begrenzten Beitrag leisten.
Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Rüdiger Pohl, bezeichnete eine Neubewertung der Goldreserven als währungspsychologisch verheerend«. Dieser Schritt zum jetzigen Zeitpunkt sei falsch, sagte Pohl im Deutschlandradio Berlin. Zwar seien die Reserven unterbewertet. »Währungspsychologisch entsteht aber der Eindruck, hier werden fast schon panikartig vorhandene Haushaltslöcher gestopft.«
Die Höherbewertung der Goldreserven würde möglicherweise noch in diesem Jahr zu einer außerordentlichen Gewinnabführung der Bundesbank an den Bundeshaushalt führen. Mit den Milliarden könnte Waigel den Schuldenstand näher an das Maastricht- Kriterium von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heranführen und außerdem den laufenden Etat von Zinszahlungen entlasten.
Die Bundesbank besitzt 95 Millionen Feinunzen Gold, die laut Gesetz mit 144 Mark pro Unze in den Büchern stehen. Eine Bewertung zum aktuellen Marktpreis von fast 600 Mark könnte zusätzliche Buchgewinne bis zu 40 Milliarden Mark bringen. Die Höherbewertung der Devisenreserven der Bundesbank nach dem gleichen Schema könnte weitere 6,5 Milliarden an Buchgewinnen verursachen.
(AP/jW)
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