Kann man nichts machen
London. Es kam, wie es kommen musste. Am Samstag gewann die an Nummer 17 gesetzte Jelena Rybakina gegen die an drei gesetzte aktuelle Weltranglistenzweite Ons Jabeur aus Tunesien in Wimbledon das Finale zweier Debütantinnen mit 3:6, 6:2, 6:2. Dass eine aus Moskau stammende Spielerin die Damenkonkurrenz gewann, versah das Turnier am vorletzten Turniertag mit einer weiteren bizarren politischen Note. »Wimbledon ging mit genau dem Bild zu Ende, das es so verzweifelt zu verhindern versucht hatte«, schrieb der britische Telegraph und skizzierte den Moment, als Herzogin Kate Middleton die Siegestrophäe – die Venus-Rosewater-Dish – an Rybakina übergab, wie folgt: »Dieses Damen-Finale brachte eine Fotogelegenheit, die jeden in der russischen Botschaft in London brüllend über seine Wodkagläser lachen ließ.«
Wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine waren Profis aus Russland und Belarus in Wimbledon ausgeschlossen gewesen. Die Debatte, dass damit Topspieler wie Daniil Medwedew fehlten und die Organisationen ATP und WTA als Reaktion keine Weltranglistenpunkte vergaben, bestimmte lange die Schlagzeilen vor dem Turnier.
Vor dem Finale war die 23jährige Rybakina Fragen nach ihrem Wohnort Moskau ausgewichen. Durch ihre vielen Reisen als Profisportlerin sei sie eigentlich auf der Tour zu Hause. »Die meiste Zeit verbringe ich auf der Tour. Ich trainiere zwischen den Turnieren in der Slowakei, habe Camps in Dubai. Ich lebe also nirgendwo, um ehrlich zu sein.«
Wie mehrere andere russische Tennisprofis hatte Rybakina wegen der Aussicht auf eine stärkere Förderung 2018 die Nation gewechselt. Den kasachischen Tennisverbandspräsidenten Bulat Utemuratow umarmte sie auf der Tribüne. Das Staatsoberhaupt des zentralasiatischen Landes, Kassym-Schomart Tokajew, gratulierte aus der Ferne zu einem »historischen Sieg« und dem ersten Grand-Slam-Einzeltitel für Kasachstan.
Auch aus Russland erhielt Rybakina schnell Glückwünsche für ihren Sieg. »Wir haben viel zu ihrer Entwicklung beigetragen«, sagte Schamil Tarpischtschew, Chef des russischen Tennisverbandes, der russischen Zeitung Sport-Express. »Gibt es Groll gegen sie? Nein. Das ist Sport. Jeder wählt seinen eigenen Weg. Das ist ihr Recht.«
Auf die Frage, ob sie befürchte, dass ihr Sieg in Russland politisch genutzt werden könnte, antwortete Rybakina: »Ich weiß nicht, was passieren wird. Es wird immer einige Nachrichten geben, aber ich kann nichts deswegen machen.« (dpa/jW)
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