Freiheit des Wortes
Die Buchmesse in Havanna war für uns eine wichtige Erfahrung. Die Bundesregierung hat (obwohl sie die Einladung Deutschlands als Ehrengast angenommen hatte) die Messe boykottiert. Dank auch unserer Aktivitäten gab es trotzdem (oder gerade deshalb) dort noch nie so viele deutsche Verlage wie in diesem Jahr sowie das umfangreichste Kulturprogramm, das ein Gastland je auf die Beine gestellt hat. Aber alles war kein Thema für die deutsche Medienlandschaft. Die wenigen, die überhaupt etwas berichtet haben, logen meistens durch Falschbehauptungen (»Der Versuch, den Boykott der Messe zu umgehen, ist gescheitert«) oder Weglassen (»Die Buchmesse in Havanna wurde eröffnet, Deutschland ist nicht vertreten«). Oder nutzten erwartungsgemäß die Steilvorlage des PEN-Deutschland-Präsidenten Johano Strasser, um botmäßig zu berichten. Strasser sprach sich umgehend (als einer der ersten und wenigen) für die Blockade der Buchmesse aus. Als die verhindert werden konnte, plazierte er in den Medien einen Brief an die teilnehmenden Verlage mit der Unterstellung, diese würden ja nur an der Messe teilnehmen, um dadurch »mehr für die Freiheit des Wortes in Kuba bewirken zu können«. Es folgte eine nackte Liste mit 35 Namen inhaftierter Autoren. Nachfragen unnötig, denn »die Schicksale der genannten Personen« seien »sorgfältig recherchiert worden. Es handelt sich also um zuverlässige Informationen«. Wenn man schon über die Blamage der Bundesregierung berichten mußte, gab es jetzt eine bequeme Möglichkeit, von den zentralen Fragen abzulenken. Dieses Spiel machten selbst renommierte Medien wie Die Zeit mit (siehe Ausgabe vom 5. Februar, S. 43).
Der Kulturboykott konnte also gebrochen werden, der Medienboykott nicht. Uns wurde nochmals deutlich, daß sich in der bundesdeutschen Medienlandschaft Veränderungen vollziehen. Gespart wird in den Medienhäusern vor allem am Luxus der eigenen Recherche und Sichtweise. Wichtig ist nur, was über die zwei, drei zentralen Agenturen läuft, alles andere hat kaum eine Chance, wahrgenommen zu werden. Journalisten produzieren schließlich eine Ware, die verkauft werden muß. »Die wollen von mir was über Dissidenten, nicht über das, was ihr hier macht«, sagte uns in Havanna ein freier Journalist mit Schwerpunkt Lateinamerika. Hält er sich nicht an die Vorgaben, hat er kaum Chancen, weitere Aufträge zu bekommen.
Diese Erfahrungen sind allerdings nicht neu und sie betreffen alle, die nichtgewünschte Informationen unterbringen wollen. Über die Teilnahme der Umweltministerin Venezuelas im Januar an der Rosa-Luxemburg-Konferenz war beispielsweise noch nicht einmal im Neuen Deutschland etwas zu lesen. Je schwerer es aber wird, politisch brisante Themen und Analysen in den bürgerlichen Medien zu plazieren, desto wichtiger wird die Möglichkeit, mit der jungen Welt über eine Tageszeitung zu verfügen, die Platz schafft für unterdrückte Meldungen und Einschätzungen. Die Verbesserung unserer Abozahlen ist deshalb nicht nur eine ökonomische Notwendigkeit. Aber ohne eine Stärkung der Ökonomie können wir den wachsenden Anforderungen nicht gerecht werden. Und als Genossenschaftsprojekt kann die Ökonomie der jungen Welt vor allem durch Print- und Internetabos (die Hauptfinanzierungsquelle) und Mitgliedschaft in der Genossenschaft (die entscheidende Kreditgeberin) gestärkt werden.
Übrigens: Keine Regel ohne Ausnahme. Zwar hat die FAZ nicht aktuell über die Buchmesse Havanna berichtet, in einer Nachbetrachtung kommt sie dann doch zu den entscheidenden Schlußfolgerungen: »Mit der preiswerten Kuba-Sanktion hat Schröder beim amerikanischen Präsidenten verlorene Sympathien zurückgewonnen. An diesem Schritt gibt es nichts zu bewundern. Eben deshalb verdient die Aktion der Tageszeitung ›Junge Welt‹ und mehrerer deutscher Verlage, Deutschland in Kuba zu repräsentieren, einigen Respekt«, schreibt sie in ihrer Ausgabe vom 18. Februar 2004.
Verlag und Redaktion
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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