Keiner kennt Karl
Die Debatte um die stark kritisierten Winnetou-Kinderbücher von Ravensburger hält der Direktor des Karl-May-Museums in Radebeul, Robin Leipold, für überzogen. »Ich habe das Gefühl, viele kennen sich total wenig mit dem Werk Karl Mays und der Person Karl Mays aus«, sagte Leipold der dpa. Der 1912 gestorbene deutsche Schriftsteller habe sich seinerzeit klar gegen den Kolonialismus der wilhelminischen Kaiserzeit gestellt und sich für den Frieden eingesetzt – und dies auch in seinen Werken propagiert. »Er war einer der frühen Pazifisten im deutschen Kaiserreich, er war einer, der den Kolonialismus extrem kritisch analysiert und verdammt hat«, erklärte der Museumsdirektor. May müsse als Kind seiner Zeit gesehen werden.
Die Firma Ravensburger hatte Mitte August wegen Rassismusvorwürfen angekündigt, die beiden Bücher »Der junge Häuptling Winnetou« zum gleichnamigen Film sowie ein Puzzle und ein Stickerbuch aus dem Verkauf zu nehmen. Immer wieder war in der aktuellen Debatte von »kultureller Aneignung« die Rede.
Natürlich sei Mays Werk kritisch zu lesen, sagte Leipold. Eine gesunde Kritik sei berechtigt. »In der Frühphase seines Schreibens hat Karl May sicherlich (…) gewisse rassistische oder aus heutiger Sicht rassistische Elemente mit drinnen gehabt, die heute tatsächlich so zu kritisieren sind«. Allerdings hätten sich seine Bücher und Figuren im Laufe der Zeit gewandelt. Der Historiker hält die Reaktion von Ravensburger für unpassend. »Das ist auch irgendwie für mich scheinheilig, sie tun so, als würden sie sich der Debatte annehmen, tun es aber gar nicht«. Statt die Werke vom Markt zu nehmen, hätte man lieber auch Geschichten von indigenen Autoren verlegen sollen. (dpa/jW)
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