Causa Akman
Von Oliver RastEngagierte Gewerkschafter mittels Kündigungswelle mürbe machen, kaltstellen, aus dem Betrieb werfen – das kennt man. Von Konzernen etwa, die betriebliche Mitbestimmung torpedieren, eine »betriebsratsfreie Zone« bleiben wollen. Union Busting eben. Ungewöhnlich ist es, wenn der »Arbeitgeber« eine Gewerkschaft ist. Wie im Fall von Orhan Akman und Verdi.
Akman, 46, war seit Februar 2019 Bundesfachgruppenleiter Einzel- und Versandhandel bei der Dienstleistungsgewerkschaft. Ein hochrangiger Verdi-Funktionär. Einer, der sich gerne mit der Kapitalseite angelegt hat – im Interesse der Belegschaften. Sein Steckenpferd für eine konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik: der Onlineriese Amazon. Ein bislang zehnjähriger Arbeitskampf mit Streikketten und Organisierung von – oftmals migrantischen – Kolleginnen und Kollegen. Aber: Clinch gebe es nicht nur mit der Kapitalseite, sagte Orhan jüngst im jW-Gespräch. Auch bei Verdi mit seinen rund 1,8 Millionen Mitgliedern. Ränkespiele, Postenschacher und nicht zuletzt Linienkämpfe, die zu Personalfragen werden.
Im August hatte sich die Auseinandersetzung »Verdi versus Akman« zugespitzt. Dem Onlineportal Business Insider waren Verdi-Interna zugespielt worden, die den Verdacht von »Vetternwirtschaft« nahelegen – unter anderem gegen Silke Zimmer, Leiterin des Landesfachbereichs Handel in NRW. Die Pressestelle des Verdi-Bundesvorstands (Buvo) wies dies damals gegenüber jW entschieden zurück. Kein Filz. Dennoch, Akman forderte eine »lückenlose Aufklärung der Sachverhalte« und stellte die Nominierung von Zimmer für den Buvo in Frage. Der sah sich nun seinerseits Vorwürfen ausgesetzt. Von »übler Nachrede und Rufschädigung« ist in einer »Beschlussvorlage« des Bundesfachbereichsvorstands Handel, die jW vorliegt, die Rede. Mehr noch, Akman wird »gewerkschaftsschädigendes Verhalten« zur Last gelegt, was Verdi indes bislang nicht begründete. Akman konterte: »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.« Und vermutet statt dessen einen »politischen Komplott« gegen seine bereits im April angekündigte Buvo-Kandidatur.
Belegbar ist das nicht; auch, weil Verdi sich zu »personellen Angelegenheiten« gegenüber dieser Zeitung nicht äußern will. Die Folgen für Akman: Ermahnungen, Widerruf seiner Tarifvollmachten, Abberufung als Bundesfachgruppenleiter und fristlose, außerordentliche Kündigungen. Akman wehrt sich juristisch und will weiterhin als Verdi-Mitglied für den Buvo kandidieren. Nicht nur, aber auch als Migrant in den ansonsten »weißen Führungsgremien« seiner Gewerkschaft. Der Ausgang scheint offen. Akman zuversichtlich: »Ich bin hartnäckig und kenne mich mit Langzeitkonflikten gut aus.«
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vom 13.09.2022