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Aus: Ausgabe vom 29.07.2023, Seite 11 / Feuilleton
Würmer

Neues vom Permafrost

Von Michael Saager

Wenn die Permafrostböden auftauen, was sie derzeit fleißig tun, versinkt der Mensch im Matsch. Und das ist mit Sicherheit nicht das größte Problem. Klimakrise und Permafrost können nicht gut miteinander bzw. zu gut, ihre Wirkung aufeinander ist kompliziert und komplex; vereinfacht gesagt, verhält es sich so: Taut der Permafrost, werden Mikroorganismen aktiv, die wiederum im Boden gespeicherte Kohlenstoffverbindungen, fleißig wie sie sind, in Methan, Wasserdampf und Kohlendioxid verwandeln. Was wiederum den Treibhauseffekt verstärkt usw. Aber klar, vor allem im bislang schweinekalten Sibirien wird so manche technische Errungenschaft bald schon auf den Hund gekommen sein: Eisenbahnlinien werden wegsacken, Fluglandebahnen können teilweise heute schon nicht mehr benutzt werden, Erdölpipelines drohen instabil zu werden.

Gibt es denn keine guten Nachrichten, die mit Permafrost zu tun haben? Jein. Sogar die jüngste, an sich erfreulich zu lesende Meldung aus dem weiten Land der Würmer hat einen mächtigen Haken. Also: Fadenwürmer (Nematoden) können 46.000 Jahre im Permafrost überdauern und sich danach wieder vermehren. Das ist schön für die Würmer – und gewiss auch für die Wissenschaftler aus dem Team von Teymuras Kurzchalia vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, die herausgefunden haben, wie die Fadenwürmer aus dem Permafrost Sibiriens in der Kälte überleben.

Einen schicken Namen, Panagrolaimus kolymaensis, bekamen sie inzwischen auch verpasst. Der Mechanismus, der das Überleben bei Minusgraden möglich macht: Sie reagieren auf eine leichte Austrocknung mit dem Auflösen ihrer Fettreserven und der Produktion des Zuckers Trehalose. In diesem Zustand können sie eine starke Austrocknung und ein anschließendes Einfrieren unbeschadet überstehen.

In einem schlechten Licht stehen unsere Würmer da, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, die Giovanni Strona et al. von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission in Ispra (Italien) im Fachjournal Plos Computational Biology jüngst veröffentlicht haben: »Das Auftauen des Permafrosts und das mögliche Austreten alter Mikroorganismen aus dem Labor bergen das Risiko biologischer Invasionen für die heutigen ökologischen Gemeinschaften, einschließlich Bedrohungen für die menschliche Gesundheit durch die Exposition gegenüber neu auftretenden Krankheitserregern.« Da kommt was auf uns zu. Und wer ist schuld – der Mensch.

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