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Aus: Ausgabe vom 16.09.2023, Seite 16 / Aktion
Putsch in Chile

Kapitallogik aufzeigen

Warum die einen die junge Welt bekämpfen und viele andere sie für unverzichtbar halten
Von Verlag, Redaktion, Genossenschaft junge Welt
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Hinter Masken reden sie von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, von westlichen Werten, die verteidigt werden müssten. Wie es dahinter aussieht, zeigten sie deutlich am 11. September 1973 und an den folgenden Tagen, also vor genau 50 Jahren, beim faschistischen Putsch in Chile gegen die sozialistische Regierung Allendes: Es geht ihnen um brutale Durchsetzung von Kapitallogik, wozu die Demokratie »gelegentlich in Blut gebadet werden« müsse, wie es ihr Handlanger, der Putschgeneral Augusto Pinochet, damals formulierte. Für Verlag und Redaktion der Tageszeitung junge Welt war deshalb klar, dass wir mit dem Putsch in Chile nicht nur ein historisches Datum mit journalistischen Mitteln würdigen, sondern auch darüber hinaus Zusammenhänge, Hintergründe und aktuelle Bezüge aufzeigen wollen. Wir befürchteten offensichtlich zu Recht, dass das sonst niemand mit der notwendigen Gründlichkeit tun würde. Die Veranstaltungsreihe startete deshalb schon am 11. Mai mit einem Konzert von Gina Pietsch und endet am 13. Januar 2024 auf der 29. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin: Für uns bleiben die Lehren aus dem Putsch in Chile auch nach dem 11. September von größter Bedeutung!

Wie so oft kam es dann noch schlimmer als befürchtet: die bürgerlichen Medien erwähnten bestenfalls das Datum (und manche nicht einmal dies), berichteten vielleicht etwas über Opfer und Flüchtlinge, aber kaum über die Rolle deutscher Altnazis und der damaligen SPD-Regierung, und nichts über die Rolle der Konzerne und Geheim­dienste. Und schon gar nichts darüber, was dieser Putsch in Chile mit der Lage in der Ukraine zu tun haben könnte. Statt dessen wurde gemutmaßt, dass sich viele Chilenen wieder Ruhe und Ordnung á la Pinochet wünschen würden.

Wer täglich Informationen und Analysen mit klarem Klassenstandpunkt zu historischen und aktuellen Ereignissen wünscht, braucht eine Zeitung wie die junge Welt. Für die einen ist das Grund genug, diese Zeitung zu bekämpfen, auch mit geheimdienstlichen Mitteln. Für viele andere aber Motivation, diese Zeitung täglich zu nutzen und sie zu unterstützen. Klar ist: Zeitung und Veranstaltungen dieser Art sind nur zu realisieren, wenn all jene, die sie nutzen, uns auch dabei helfen, die materielle Grundlage für diese Arbeit zu schaffen. Dabei besonders wichtig: Die junge Welt selber abonnieren, und sie anderen für ein Abonnement empfehlen! Dazu gibt es im Moment die hervorragende Möglichkeit, 75 Printausgaben der Zeitung zum Preis von 75 Euro zu bestellen (oder die digitale Version drei Monate lang für 18 Euro)! Eine gute Möglichkeit, die Zeitung inhaltlich kennenzulernen und einzuüben, wie sie in den eigenen Alltag integriert werden kann. Denn Zeitungslesen als Kulturpraxis müssen sich viele erst wieder antrainieren. Wer das allerdings geschafft hat, will auf die junge Welt nicht mehr verzichten.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gerhard M. aus Berlin (16. September 2023 um 12:51 Uhr)
    Leider ist den Verfassern ein wesentlicher Fehler unterlaufen. Der Satz »die bürgerlichen Medien erwähnten bestenfalls das Datum …, berichteten vielleicht etwas über Opfer und Flüchtlinge, aber kaum über die Rolle der damaligen CDU-Regierung, und nichts über die Rolle der Konzerne und Geheim­dienste« stimmt so nicht. Während der Regierung Allende regierte in der BRD die SPD in Koalition mit der FDP (Außenminister Genscher) von 1969 bis 1974 unter Willy Brandt, der von Helmut Schmidt als Bundeskanzler (1974–1982) abgelöst wurde. Gerade die Tatsache, dass während der Allende-Regierung es in der BRD eine SPD-geführte Regierung gab, führt die ambivalente Rolle der SPD vor Augen. Sowohl die SPD wie auch die Sozialistische Partei Chiles, der Salvador Allende angehörte, waren Mitglieder der Sozialistischen Internationale (SI). Abgesehen von der ungeklärten Frage, ob der BND sein Wissen über einen bevorstehenden Putsch an Brandt weitergab oder nicht und ob Brandt seinen SI-Kollegen davor warnte oder hätte warnen können, missachtete die SPD/FDP-Regierung den Aufruf der SI vom 22. September 1973 an alle demokratischen Regierungen, jegliche Hilfe, Kredite und Darlehen für die Militärregierung in Chile einzustellen und darauf einzuwirken, dass auch alle internationalen Organisationen und Finanzinstitutionen so handeln. Wenn man diesen Aufruf der SI als Kriterium an die damalige SPD-Regierung anlegt, so handelte sie nicht wie eine demokratische Regierung, sondern unterwarf sich den Auflagen der USA.
    • Anmerkung der jW-Redaktion (21. September 2023 um 12:53 Uhr)
      Vielen Dank für diesen Hinweis. Wir haben den Fehler korrigiert.

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