Feuer im Asylheim in Friedrichshafen
Beim Brand eines Asylbewerberheims im baden- württembergischen Friedrichshafen kam in der Nacht zu Mittwoch ein 26jähriger Asylbewerber ums Leben, 53 Menschen, darunter neun Kinder, wurden verletzt. Fünf Schwerverletzte hatten hauptsächlich Frakturen erlitten, als sie auf der Flucht vor dem Feuer aus Fenstern des zweistöckigen Gebäudes sprangen. Die Brandursachen waren nach Auskunft von Polizei und Staatsanwaltschaft gegenüber jW noch völlig ungeklärt. Anhaltspunkte für eine fremdenfeindliche Tat gebe es bislang nicht.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Georg Niederer betonte in einem kurzen Gespräch mit jW, es gebe bislang keinerlei Hinweise auf einen Brandanschlag, der ja geplant und mit bestimmten Motiven ausgeführt würde. Brandstiftung dagegen könne nicht ausgeschlossen werden, da man bei den Ermittlungen auch zur Brandursache am Anfang stehe. Der Staatsanwalt sieht den Brand im Friedrichshafener Asylbewerberheim nicht als Glied in der Kette von Bränden solcher Unterkünfte, verneinte aber auch, daß dies als ein normaler Fall von ihm behandelt werde: »Dazu sind die Folgen zu gravierend.« Schmierereien seien nicht gefunden worden. Hinweise auf Brandbeschleuniger habe man zu diesem frühen Ermittlungszeitpunkt nicht.
Der Sprecher der Friedrichshafener Polizeidirektion, Markus Sauter, erklärte auf jW-Nachfrage: »Wir wissen zwar aufgrund der Spuren, daß der Brand im Bereich der Eingangshalle ausgebrochen sein muß, aber nicht, weshalb.«
Eine 30köpfige Sonderkommission wurde eingerichtet. Im Laufe des gestrigen Tages konnte die Identität des Todesopfers geklärt werden. Der 26jährige Asylbewerber ist »Türke kurdischer Volkszugehörigkeit« und ledig. Todesursache war laut Staatsanwaltschaft eine Kohlenmonoxidvergiftung.
Die Polizei war am Mittwoch morgen um 4.18 Uhr telefonisch von einem Bewohner des Asylbewerberheims alarmiert worden. Das Gebäude der Unterkunft diente bis 1992 französischen Streitkräften als Kaserne. Das Landratsamt prüfe, so der Polizeisprecher, wie viele Personen sich bei Brandausbruch in dem Haus aufgehalten haben. Die Verantwortlichen gehen von 300 bis 320 Menschen aus. Eine Überfüllung könne ausgeschlossen werden, da die Unterkunft für 400 Asylbewerber ausgelegt sei. Das Heim befindet sich im westlichen Teil Friedrichshafens neben einem Gewerbegebiet. Es gibt keine direkten Nachbarn dort.
jW
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