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Regierung waigelt ab

Opposition scheitert mit Antrag zur Entlassung des Finanzministers

In demonstrativer Geschlossenheit haben sich Unionsparteien und FDP hinter die Politik von Bundesfinanzminister Theodor Waigel gestellt und einen Antrag der Opposition auf Entlassung des CSU-Vorsitzenden aus dem Kabinett abgelehnt. Damit hat die Bonner Koalition am Mittwoch im Bundestag abermals ihre parlamentarische Mehrheit unter Beweis gestellt. Allerdings sieht sie sich wegen ihrer finanzpolitischen Vorhaben weiterhin massiver Kritik nicht nur der Opposition, sondern neuerdings auch des Sachverständigenrates ausgesetzt.

Vor allem Bundeskanzler Helmut Kohl verteidigte seinen Finanzminister. Unmißverständlich gab er auch zu verstehen, daß er an der fristgerechten Einf hrung des Euro festhält. Dem stimmte der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine aus- drücklich zu. Waigels Goldpläne verurteilte er jedoch als unzulässigen »Buchungstrick«, um Deutschland für den Euro fit zu machen. Die Bundesrepublik Deutschland habe sich damit zu Recht internationaler Kritik und Häme ausgesetzt. Ferner hielt er Waigel »absurde« Steuersenkungsversprechungen in Höhe von 30 bis 50 Milliarden Mark vor, die angesichts der Haushaltslöcher völlig realitätsfern seien. »Sie mögen noch weiterwursteln, aber das wird die Arbeitslosigkeit nicht abbauen«, sagte Lafontaine.

Der Vorsitzende der PDS-Bundestagsgruppe, Gregor Gysi, hat Bundeskanzler Kohl nachdrücklich aufgefordert, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Kohl habe bei der Herstellung der inneren Einheit Deutschlands und bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik versagt, kritisierte Gysi.

Am Ende der fast vierstündigen Debatte stimmten 328 Koalitionsabgeordnete gegen und 311 für den R cktritt Waigels. Dieser hatte zuvor in einer Regierungserklärung die Neubewertung der deutschen Gold- und Devisenreserven zur Verringerung der Staatsschulden als richtig und rechtlich einwandfrei bezeichnet. Durch diese Maßnahme würden weder die Unabhängigkeit der Bundesbank noch die Stabilitätspolitik in Frage gestellt.

Nach dem Gespräch zwischen Waigel und Notenbankchef Hans Tietmeyer vom Dienstag ist beabsichtigt, daß die Neubewertung der Devisenreserven in ersten Teilbereichen in diesem Jahr beginnt, die Ausschüttung der Gewinne entgegen dem ursprünglichen Plan aber erst 1998 erfolgt. Allerdings muß ein endgültiger Kompromiß zwischen Bundesregierung und Bundesbank noch ausgearbeitet werden.

Die Probleme der Haushalte 1997 und 1998 nannten Kohl und Waigel schwierig, aber überwindbar. Unterdessen hat der renommierte und von der Bundesregierung selbst berufene Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung heftige Kritik an der Finanzpolitik Waigels geübt. In einem am Mittwoch in Wiesbaden veröffentlichten Sondergutachten äußern die fünf Wissenschaftler Bedenken vor allem gegen die Neubewertung der Goldreserven und den Verkauf von Telekom-Aktien des Bundes.

(AP/jW)

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