Gefährlicher Fall
Die von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) angekündigte Antisemitismus-Klausel bei der Vergabe von Fördermitteln könnte sich aus Sicht der im Rat der Künste zusammengeschlossenen Kulturverbände kontraproduktiv im Kampf gegen Diskriminierung auswirken. Nach ersten juristischen Einschätzungen verfehle die aktuelle Form der Antidiskriminierungsklausel die angestrebten Ziele. »Sie kollidiert mit dem Grundgesetz und bringt eine mannigfaltige Rechtsunsicherheit, zweifelhafte Praktikabilität und die Gefahr der Diskriminierung mit sich«, schrieb die Koalition der freien Szene, der Berufsverband bildender Künstler*innen Berlin, der Landesverband freie darstellende Künste, die Initiative Neue Musik und das Festiwelt – Netzwerk Berliner Filmfestivals in einem am Montag veröffentlichten Appell. Mit der Klausel werde »ein gefährlicher Präzedenzfall der Gesinnungsprüfung von Einzelpersonen geschaffen, die womöglich eine auf Dauer angelegte Überprüfungspflicht nach sich zieht«, so die Verbände.
Kritisiert wird der geplante Bezug auf eine Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die »nie für eine rechtsverbindliche Verwendung in der Behördenpraxis bestimmt« gewesen sei. Aus der Eingrenzung auf die Definition ergeben sich aus Sicht der Verbände »ungewollte Effekte«, darunter die Gefährdung demokratischer Grundwerte wie Meinungs- und Kunstfreiheit, Rechtsunsicherheit und unzulängliche Umsetzbarkeit sowie ein Bedeutungsverlust des Kreativstandorts Berlin. »Doch Demokratie, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und der Kampf gegen Diskriminierung, Antisemitismus und Hass gegenüber Minderheiten gehören zusammen«, hieß es.
Zuvor hatten sich bereits zahlreiche Kulturschaffende gegen die neue Förderklausel gewandt und die Kunst- und Meinungsfreiheit gefährdet gesehen. Dabei wurden »Bekenntniszwang« und »die politische Instrumentalisierung von Antisemitismusklauseln« kritisiert. (dpa/jW)
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