Stunde des Siegers
Lyon. DFB-Präsident Bernd Neuendorf stand wegen der aufgeregten und parteiübergreifenden Kritik am Millionen-Deal mit Nike »ein Stück weit fassungslos« in den Gängen des Lyoner Stadions. Entschuldigen werde er sich sicher nicht dafür, dass der Deutsche Fußballbund ab 2027 nicht mehr Adidas trägt, sagte Neuendorf am Rande des Länderspiels der DFB-Auswahl in Frankreich (2:0). Aber die Hintergründe erklären würde er schon – vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der sich vom finanziell schwer angeschlagenen DFB mehr »Standortpatriotismus« gewünscht hatte.
Auch Habecks Aussagen seien »sehr eigenartig« gewesen, sagte der frühere Landespolitiker Neuendorf. »Hier geht es um Wettbewerb, hier geht es um Marktwirtschaft.« Der DFB habe schlichtweg das deutlich bessere Angebot angenommen. »Es geht darum, dass wir den Verband nicht schädigen, und das hätten wir mit Sicherheit getan, wenn wir auf dieses Angebot nicht eingegangen wären«, sagte Neuendorf, der am Samstag abend im ZDF die Kritik aus der Politik konterte. Für einen Austausch mit Grünen-Politiker Habeck stehe er »gerne zur Verfügung«.
DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vize Hans-Joachim Watzke bezeichnete die meisten Reaktionen als »total daneben«. Es gebe »Leute, die haben vor fünf Jahren noch gesagt: ›Vaterlandsliebe kotzt mich an‹ und entdecken jetzt auf einmal den Patriotismus«, sagte Watzke bei Sky. Der DFB hatte am Donnerstag mitgeteilt, den bis Ende 2026 gültigen Vertrag mit Dauerpartner Adidas auslaufen zu lassen und sich von 2027 bis 2034 vom US-Konzern Nike ausrüsten zu lassen. Nike soll nach Informationen des Handelsblatts mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr überwiesen haben – angeblich doppelt soviel wie Adidas aktuell.
Watzke merkte im Interview an, dass »das einzige Vernünftige«, das er gelesen habe, der Satz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewesen sei. Der habe erklärt, das sei Sache des Verbands. »Wenn ein gemeinnütziger Fußballverband quasi das Doppelte und über acht Jahre fast 400 Millionen Euro mehr erlösen und zumindest einen größeren Teil davon in die Entwicklung des Kinder-, Jugend- und Frauenfußballs stecken kann, dann ist das allein schon alternativlos«, sagte Sportökonom Christoph Breuer der dpa.
»Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Politiker kenntnisfrei und vor allem ohne Faktenlage sich populistisch so weit aus dem Fenster lehnen.«, sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig bei ran. (dpa/jW)
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