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Aus: Ausgabe vom 02.04.2024, Seite 10 / Feuilleton
Bibliothekswesen

Nicht ablecken

Nicht nur Künstler wie Monet und van Gogh setzten auf die Leuchtkraft des Farbtons, auch in der Buchherstellung des 19. Jahrhunderts war das Giftgrün populär: Doch weil das sogenannte Schweinfurter Grün gesundheitsschädliches Arsen enthält, stellt die Trendfarbe von früher Bibliotheken heute vor Probleme. Wegen der Erfordernisse des modernen Arbeitsschutzes suchen Archive mit historischen Buchbeständen derzeit nach dem richtigen Umgang mit den vielen möglicherweise belasteten Büchern.

Mediale Beachtung fand das in Fachkreisen schon länger diskutierte Problem mit den belasteten Büchern, als sich die Universitätsbibliothek Bielefeld Anfang Februar entschied, vorsichtshalber sämtliche 60.000 Bücher und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert für die Ausleihe und Benutzung zu sperren. Der Grund: Arsen ist giftig und krebserregend – die Sperrung bis zur Überprüfung sei daher eine notwendige Vorsichtsmaßnahme. Weitere Unibibliotheken, darunter Siegen, Duisburg-Essen, Kiel und Saarbrücken, kündigten ebenfalls an, ihre historischen Bestände einer Prüfung unterziehen zu wollen. Um die Verdachtsfälle für eine Überprüfung aus den Regalen zu nehmen, schloss in der vergangenen Woche die Uni­bibliothek in Düsseldorf für mehrere Tage ihre Pforten.

Lesen also lebensgefährlich? Der Deutsche Bibliotheks­verband (DBV) gibt in einer Stellungnahme Entwarnung: Nach ersten Untersuchungen konnte bei sachgerechtem Gebrauch bisher weder für Nutzer noch für Bibliotheksmitarbeiter eine höhere Belastung festgestellt werden. »Ein solches Buch abzulecken ist sicherlich keine gute Idee, aber das tut ja auch niemand«, so Reinhard Altenhöner, Vizebundesvorsitzender des Verbandes. Ende 2023 hatte der DBV eine detaillierte Handreichung veröffentlicht. Tenor: Bibliotheken mit alten Beständen müssen Vorsicht walten lassen, Verdachtsfälle möglichst herausfiltern und im Einzelfall festlegen, wie mit potenziell kontaminierten Büchern umzugehen ist.

Schutzhandschuhe und Händewaschen seien angebracht, je nach Belastung ebenfalls ein Mund-Nasen-Schutz oder eine Schutzbrille, bei intensivem Kontakt könne auch ein Schutzanzug sinnvoll sein. Wer mit Büchern aus den Altbeständen arbeite, die ohnehin selten in den frei zugänglichen Bereichen der Bibliotheken lagerten, müsse durch geschultes Personal für die Risikominimierung sensibilisiert werden. An der Staatsbibliothek zu Berlin denkt man derzeit auch über die Einrichtung eines gesonderten Raumes für die Nutzung potentiell belasteter Exemplare nach. Auf uralte Bücher mit giftgrünem Einband zuzugreifen geht in vielen Fällen inzwischen sogar ganz ohne Kontakt – und damit völlig ohne Risiko, denn große Teile des Altbestandes sind längst digital verfügbar. (dpa/jW)

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. April 2024 um 21:32 Uhr)
    Keine Öllampe in die Bibliothek! Wer wen durch vergiftete Bücher ermorden will, muss mit dem Abfackeln der ganzen Bibliothek rechnen. Bücher mit Digitalis?

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