Frankreichs neue Regierung nahm Arbeit auf
In Frankreich hat die neue Linksregierung von Premierminister Lionel Jospin am Donnerstag ihre Arbeit aufgenommen. Im Pariser Elysee-Palast kamen die Minister zur ersten Kabinettssitzung mit Staatspräsident Jacques Chirac zusammen. Den Beratungen des Ministerrrats ging ein Gespräch unter vier Augen zwischen dem gaullistischen Staatschef und dem sozialistischen Premierminister voraus. Im Anschluß sollten die neuen Regierungsmitglieder in ihren jeweiligen Ministerien die Amtsgeschäfte übernehmen. Laut Verfassung hat der Präsident den Vorsitz bei der Kabinettssitzung, die wöchentlich stattfindet.
Der Ministerrat ist der offizielle Auftakt für Frankreichs dritte Cohabitation, der Zusammenarbeit zwischen Präsident und Regierung aus verschiedenen politischen Lagern. Jospin hatte am Mittwoch abend seine Kabinettsliste vorgestellt. Neuer Außenminister ist der Spitzendiplomt Hubert Vedrine, ein überzeugter Europäer mit guten Beziehungen nach Bonn. Auch die meisten anderen Schlüsselposten des Kabinetts bekamen Sozialisten: Das Wirtschafts- und Finanzministerium übernimmt Dominique Strauss-Kahn, das Verteidigungsministerium der wenig bekannte Senator Alain Richard und das Arbeitsministerium Martine Aubry, die Tochter des langjährigen EU-Kommissionspräsidenten Delors.
In der neuen Regierung sind alle Parteien des Linksbündnisses vertreten, das am Sonntag bei den vorgezogenen Neuwahlen die absolute Mehrheit erreicht hatte. Nach über einem Jahrzehnt kehrt damit auch Frankreichs Kommunistische Partei (PCF) mit zwei Ministern - für Regionalentwicklung und Verkehr sowie für Familie, Jugend und Sport - wieder in die Regierung zurück. Frankreichs erste grüne Ministerin wird die Grünen- Vorstandssprecherin Dominique Voynt an der Spitze des Umwelt- und Raumordnungsressorts. Das Kabinett umfaßt neben dem Premierminister insgesamt 14 Minister, unter ihnen fünf Frauen.
Unterdessen hat der bisherige Parlamentspräsident Philippe Seguin am Donnerstag auch offiziell seine Ansprüche auf den Vorsitz der Gaullisten-Bewegung RPR angemeldet. Bei einem Sonderparteitag der RPR werde er sich um die Nachfolge des bisherigen Parteichefs Alain Juppé bewerben, teilte der 54jährige Euroskeptiker in Paris mit. Bis dahin wolle er »provisorisch« das Amt des Fraktionsvorsitzenden der RPR in der Nationalversammlung übernehmen.
Der gescheiterte Premierminister Juppé war nach der Wahlschlappe der rechtsbürgerlichen Parteien am Sonntag auch als RPR-Vorsitzender unter Druck geraten. Mehrere führende Gaullisten forderten seinen Rücktritt und sicherten Seguin zugleich ihre Unterstützung zu. Der Parteitag findet voraussichtlich Mitte Juli statt.
AFP/AP/jW
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