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Aus: Ausgabe vom 15.05.2024, Seite 8 / Inland
Angriff auf Grundrechte

»Die Polizei soll weit mehr als bislang eingreifen können«

Sachsen: Linke und antirassistische Aktivisten warnen vor Verschärfung des Versammlungsrechts. Ein Gespräch mit Rita Kunert
Interview: Steve Hollasky, Dresden
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Zur Unterdrückung aktueller Studentenproteste greift die Polizei auch in Berlin ein. Einsatz gegen eine palästinasolidarische Demonstration auf dem Theaterhof der Freien Universität (7.4.2024)

In Sachsen droht ein neues Versammlungsgesetz verabschiedet zu werden. Wie zahlreiche andere Aktivistinnen und Aktivisten machen auch Sie sich Sorgen wegen der möglichen Folgen. Was genau stört Sie an den geplanten Änderungen?

Das in der Planung befindliche sächsische Versammlungsgesetz wird, so fürchte ich, die Rechte politischer Versammlungen drastisch einschränken. Polizei und Versammlungsbehörde werden in dem Gesetzentwurf mit Rechten ausgestattet, die einen normalen Versammlungsverlauf im Grunde unmöglich machen werden. Der Gesetzentwurf wird, wenn er in dieser Form durchkommen sollte, der Willkür im Umgang mit Versammlungen Tür und Tor öffnen.

Das Recht auf Versammlungen in der Öffentlichkeit bleibt aber erhalten.

Das mag sein, das Demonstrationsrecht ist ja in der Landesverfassung verankert. Entscheidend ist aber, wie dieses Recht im Versammlungsgesetz genau geregelt wird. Hier kann man es Menschen erleichtern, ihr Recht wahrzunehmen oder ihnen dabei Steine in den Weg legen.

Das neue Versammlungsrecht wird dem Polizeirecht untergeordnet sein. Damit wird ein Abwehrrecht einem Gesetz untergeordnet, das es dem Staat ermöglicht, in die Grundrechte einzugreifen. Das stellt einerseits eine enorme Gefahr dar und legt andererseits allen Steine in den Weg, die ihr Recht auf Abhalten einer politischen Versammlung wahrnehmen wollen.

Verbesserungen sehen Sie nicht? Immerhin soll das neue Versammlungsgesetz ja »modern« sein.

Nein, Verbesserungen sehe ich da nirgendwo. Das Gesetz wird die Situation von Menschen, die Demonstrationen vorbereiten und anmelden, deutlich verschlechtern.

Was könnte auf die Versammlungsleitungen zukommen?

Es geht schon bei der Anmeldung der Demonstration los: Die Frist zwischen Anzeige einer Demonstration und dem Recht, dafür zu werben, soll sich deutlich verlängern. Bislang mussten 48 Stunden vergehen, nun müssen es zwei volle Werktage sein. Im ungünstigsten Fall könnte es nächstens nötig sein, auch noch 120 Stunden nach der Anzeige auf die Information der Öffentlichkeit zu verzichten, wenn auf die Anzeige der Demonstration Wochenende und Feiertage folgen.

Außerdem soll die Angabe der Zahl der Teilnehmenden in Zukunft sehr genau erfolgen. Sollten zu viele Demonstranten kommen, kann das zu einer Anzeige führen. Das sind aber nun einmal Dinge, die man nicht immer genau voraussagen kann. Und dann sollen zukünftig alle Ordnerinnen und Ordner mit Namen und Adresse schon vor Beginn der Versammlung der Polizei bekanntgegeben werden. Da fragt man sich schon, ob dort die Datensammelwut ausbrechen könnte.

Heißt das, die Polizei würde mit diesem Versammlungsgesetz wesentlich mehr Möglichkeiten erhalten, um in den Verlauf von Demonstrationen einzugreifen?

Weit mehr als bislang. Sie kann beispielsweise leichter Aufzeichnungen von Versammlungen anfertigen. Polizistinnen und Polizisten dürfen auch in zivil an Kundgebungen und Versammlungen teilnehmen, ohne sich der Versammlungsleitung zu erkennen zu geben. Selbst die Leitung hat damit im Grunde gar keinen Überblick mehr darüber, wer sich auf der Versammlung befindet. Außerdem kann die Polizei Versammlungen viel leichter verhindern, wenn sie angeblich gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Das wirkt schon reichlich albern. Immerhin darf man sich auch jetzt nur friedlich versammeln.

Halten Sie es für sehr wahrscheinlich, dass dieses neue Gesetz verabschiedet werden wird?

Die parlamentarischen Mehrheiten dafür stehen. Einzig der Forderung der AfD, dass lediglich »Biodeutsche« Versammlungen anmelden dürfen, scheinen alle anderen Landtagsparteien zu widersprechen. Ansonsten müssen wir mit einer deutlichen Verschärfung des Demonstrationsrechts rechnen.

Rita Kunert ist Aktivistin aus Dresden und organisiert Demonstrationen unter anderem gegen die rassistische »Pegida«-Bewegung

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