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Aus: Ausgabe vom 15.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Urgewald

Billionenkredite für fossile Industrie

Seit 2015 haben Banken knapp sieben Billionen US-Dollar in Förderung von Öl, Gas und Kohle investiert
Von Wolfgang Pomrehn
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Spitzenreiter bei der Finanzierung fossiler Brennstoffe war 2023 die US-Bank J. P. Morgan Chase

Das Kapital heizt die Klimakrise weiter ungebremst an. Im vergangenen Jahr haben Banken weltweit Kredite in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar (649 Milliarden Euro) an die Ölindustrie und andere Unternehmen vergeben, die vom Geschäft mit fossilen Brennstoffen und damit von der Zerstörung eines für die menschliche Zivilisation stabilen Klimas leben. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die die Nichtregierungsorganisation Urgewald am Montag mit internationalen Partnern vorgestellt hat. Gemeinsam haben die Organisationen das Geschäftsgebaren der 60 weltweit größten Finanzinstitute unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum 2016 bis 2023 flossen insgesamt 6,9 Billionen US-Dollar (6,4 Billionen Euro) in Form von Krediten und unterstützenden Wertpapiergeschäften in die fossile Industrie. Im einzelnen geht es um Vorhaben wie neue Ölpipelines, Gas- und Ölförderung, Kohlegruben und -kraftwerke sowie Terminals für Flüssiggas (LNG).

Schon 2009, vor der schließlich gescheiterten UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, hatte es dringende Appelle von führenden Klimawissenschaftlern gegeben, das Ruder endlich herumzureißen und die Nutzung fossiler Energieträger auslaufen zu lassen. Mit dem bei ihrer Verbrennung freigesetzten Kohlendioxid und dem bei Förderung und Transport entweichenden Methan sind sie die Hauptverursacher der sich inzwischen zuspitzenden Klimakrise. 2015 kam schließlich auf einer Nachfolgekonferenz in Paris ein Abkommen – wenn auch nur ein wenig verbindliches – zustande, in dem die Begrenzung der globalen Erwärmung verabredet wurde. Für die Finanzwelt noch lange kein Grund, vom schmutzigen Geschäft mit Kohle, Öl und Co. zu lassen. Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei Urgewald und Koautorin des Berichts, weist darauf hin, dass nur fünf Prozent der Unternehmen, die Kohle abbauen oder verbrennen, einen Ausstiegstermin benannt haben. Zugleich würden 96 Prozent der Öl- und Gasproduzenten weiterhin neue Vorkommen erschließen, Förderanlagen ausweiten und Transportinfrastruktur aufbauen.

Schwierigkeiten, dafür Kredite zu bekommen, gibt es offensichtlich nicht. Spitzenreiter bei der Finanzierung fossiler Brennstoffe war 2023 die US-Bank J. P. Morgan Chase, dicht gefolgt von dem japanischen Finanzinstitut Mizuho. Über den Untersuchungszeitraum gesehen hat sich allerdings insbesondere die Citibank hervorgetan, die ebenfalls in den USA angesiedelt ist. Seit 2016 hat sie insgesamt 204 Milliarden US-Dollar (189 Milliarden Euro) dafür zur Verfügung gestellt, die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen zu vernichten.

Auch die Deutsche Bank mischt kräftig mit, wie die Analyse der NGOs ergeben hat. Zwar nicht ganz vorne, aber doch in etwa auf Platz 20 der 60 weltweit größten Banken. Finanziell unterstützt wird zum Beispiel die besonders unfallträchtige Öl- und Gasförderung in der Tiefsee. Auch den Abbau von Teersanden, der in Kanada großflächig Urwälder in lebensfeindliche Mondlandschaften verwandelt, und das berüchtigte Gasfracking halten deutsche Banker für förderwürdig. Selbst für den Kohlebergbau gab es 2023 noch Kredite. Besonders engagiert ist die Deutsche Bank aber bei der Finanzierung von LNG-Infrastruktur, und bei Krediten für die Erschließung von Öl- und Gasfeldern im bedrohten Amazonas-Regenwald wurden die Deutschen nur von drei US-Banken überboten.

Die katastrophalen Folgen waren in den vergangenen Wochen von Brasilien über Ostafrika und Afghanistan bis nach Südchina und Südostasien überall zu spüren. »In den letzten Monaten litten Gemeinden in ganz Südostasien unter gefährlich hohen Temperaturen. Jeder Dollar, der weiterhin in fossile Brennstoffe fließt, ist ein Todesurteil für klimagefährdete Menschen in unserer Region«, so Koautor Gerry Arances, der in Quezon City auf den Philippinen das Center for Energy, Ecology, and Development leitet. Und weiter: »Es sind die historischen CO2-Verschmutzernationen, die die Finanzierung fossiler Brennstoffe weitgehend vorantreiben. (…) Das muss aufhören.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. Mai 2024 um 13:34 Uhr)
    »Das berüchtigte Gasfracking halten deutsche Banker für förderwürdig«? Sie fördern das Fracking durch Profitmacherei. Ohne Zinsen keine Kredite. Übrigens: Das Land, aus dem Herr Habeck blauen Wasserstoff importieren will, hat mehr als 70 neue Gasfelder in der Arktis ausgewiesen.

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