Kapitalisten gegen US-Diktat
Von Sebastian EdingerNachdem die US-Regierung am Dienstag drastische Erhöhungen der Einfuhrzölle auf zahlreiche Produkte aus China angekündigt hat, wächst beim deutschen Kapital die Sorge, Brüssel könnte auf Geheiß Washingtons ähnliche Schritte einleiten. Schließlich hatte Lael Brainard, Direktorin des Nationalen Wirtschaftsrates des Weißen Hauses, bei der Ankündigung der protektionistischen Maßnahmen angedeutet, dass dies den Erwartungen der US-Administration an ihre untergeordneten Verbündeten entspricht. Doch die hiesige Industrie ist eng verflochten mit der in der Volksrepublik und insbesondere von Zulieferungen abhängig.
Deshalb warnte am Mittwoch der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, durch solche Maßnahmen werde alles teurer »und die Verlierer sind die Marktteilnehmer, Verbraucher wie Unternehmen«. Seine Sorge gilt vor allem den deutschen Autokonzernen: »Es gibt kein einziges Auto in der EU ohne Teile aus China. Zudem importieren unsere Hersteller ihre Elektromodelle aus China«, sagte er. »Wir würden uns also ins eigene Fleisch schneiden«.
Anders sehen es die französischen Wettbewerber Stellantis und Renault, die von der EU-Kommission bereits fordern, den USA zu folgen und den Zustrom chinesischer Produkte zu bremsen. Sie versprechen sich davon vor allem einen Schutz vor preiswerterer Konkurrenz im Bereich der E-Fahrzeuge.
Die ersten Reaktionen aus Beijing Richtung Washington lassen harsche Gegenmaßnahmen erwarten. Solche würden wohl auch die EU treffen, eiferte die den USA nach. Die französischen Autofirmen wären davon deutlich weniger betroffen als die deutschen, für deren Verbrennermodelle der chinesische Markt von herausragender Bedeutung ist.
Entsprechend appellierte die Bundesregierung Richtung Brüssel, sich nicht auf die von Washington angezettelte Verschärfung des Wirtschaftskriegs gegen China einzulassen. Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) sagte, Zollerhöhungen seien »der falsche Weg«. Statt dessen müsse das Ziel »ein internationaler Handel mit fairen und einheitlichen Wettbewerbsregeln« sein. Zuvor hatte bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darauf hingewiesen, dass gegenwärtig »50 Prozent der Importe von Elektrofahrzeugen aus China von westlichen Marken kommen, die selbst dort produzieren und nach Europa importieren« – und somit angedeutet, dass er keinen Bedarf an Zollerhöhungen in der EU sieht.
Die Entscheidungskompetenz über handelspolitische Schutzmaßnahmen liegt bei der EU-Kommission. Die hatte in den letzten Monaten immer wieder Maßnahmen ins Spiel gebracht, um einheimische Unternehmen vor preiswerteren Konkurrenzprodukten aus der Volksrepublik zu schützen. Zudem verhandelten Vertreter Washingtons und Brüssels im Rahmen des transatlantischen »Trade and Technology Councils« jahrelang über Maßnahmen zur Stärkung des gemeinsamen Marktes für Green-Tech-Produkte sowie protektionistische Schritte zur Schwächung der Konkurrenz aus China. Viel kam dabei jedoch nicht heraus, die Interessensunterschiede waren zu groß.
Durch die jüngsten Ankündigungen der US-Administration wächst nun der Druck auf Brüssel. Nicht nur, weil die USA von ihren Vasallen verlangen, sich dem antichinesischen Vorgehen anzuschließen. Sondern auch, weil China wohl künftig weniger E-Autos, Solarzellen, Halbleiter und so weiter in die USA exportieren kann und deshalb seine Überproduktion andernorts an die Kunden bringen muss – zum Beispiel in der EU.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (16. Mai 2024 um 12:28 Uhr)Die Idee von Ausgleichszöllen erscheint grundsätzlich schlüssig. Doch in der Praxis treten verschiedene erschwerende Faktoren zutage: die potenzielle Gefahr von Gegenmaßnahmen mit zusätzlichem Schadenspotenzial, die mögliche Reduzierung des Innovationsdrucks auf die heimische Industrie sowie die unscharfe Grenze zwischen legitimen Ausgleichsmaßnahmen und reinem Protektionismus, der bestimmten politisch einflussreichen Branchen zugutekommt. Inwiefern die chinesische Subventionierung der Industrie tatsächlich Erfolg zeigt, bleibt indessen unklar. Es lässt sich jedoch festhalten, dass die Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA, China und der EU hauptsächlich Verlierer produziert – und letztlich sind es immer die Verbraucher, die dafür bezahlen müssen.
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