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Aus: Ausgabe vom 17.05.2024, Seite 15 / Feminismus
Argentinien

Ins Feuer gestoßen

Argentinien: Mutmaßliches Hassverbrechen gegen lesbische Frauen – drei Tote. Regierung unter Milei leugnet homofeindliche Dimension
Von Carmela Negrete
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Zu viele Tote geschlechtsspezifischer Gewalt: Die-in-Protestaktion in Buenos Aires (17.2.2021)

Eine grausame, mutmaßlich homofeindliche Mordtat erschüttert dieser Tage Argentinien, insbesondere nachdem die Regierung die besondere Schwere der Tat aufgrund der sexuellen Orientierung geleugnet hat. Hauptverdächtiger ist ein 62jähriger Mann. Am 6. Mai soll er das Zimmer seiner Nachbarinnen in einer Pension in Buenos Aires angezündet haben. Drei lesbische Frauen kamen dabei ums Leben. Pamela Cobas (52) starb Stunden nach dem Angriff. Mercedes Roxana Figueroa, ebenfalls 52, verstarb am Mittwoch, nachdem sie Verbrennungen an 90 Prozent ihres Körpers erlitten hatte. Der Tod von Andrea Amarante, 42, wurde am Sonntag bestätigt. Das vierte Opfer liegt weiterhin im Krankenhaus. »Als sie das Zimmer in Flammen stehend verließen, schlug er sie und stieß sie zurück ins Feuer«, berichtete Sergio Araujo, der im zweiten Stock des Gebäudes lebt, dem Portal Presentes. »Fünf von uns haben versucht, ihn von ihr zu trennen, damit er aufhört, sie zu schlagen«, fügte ein weiterer Nachbar und Augenzeuge hinzu.

Für Aktivistinnen ist klar: »Sie wurden angezündet, weil sie lesbisch sind«, hieß es am Montag bei einer Demonstration von mehreren hundert Menschen im Viertel Barracas, in dem sich die Pension befindet. Sie hätten aus ihrer Armut heraus eine Gemeinschaft gebildet, die Zuflucht bietet – deswegen seien sie getötet worden, so der Vorwurf der Nachbarschaftsvereinigung »Barracas Lesbian Assembly«. Schon am vergangenen Freitag hatte es eine Demonstration vor dem Nationalkongress gegeben, bei der die Teilnehmenden Gerechtigkeit für die Opfer forderten. Neben der »Assembly« fordern auch andere LGBTI-Vereine und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, dass solche Morde und Angriffe als geschlechtsspezifische Hassverbrechen deklariert werden und dass die Behörden Maßnahmen dagegen ergreifen.

Für viel Empörung sorgte die Antwort vom Regierungssprecher des Präsidenten Javier Milei, Manuel Adorni, am Montag auf einer Pressekonferenz. Er findet es »unfair, nur über diese Episode zu sprechen, wenn Gewalt etwas viel Umfassenderes ist als nur eine Frage gegenüber einer bestimmten Gruppe«. Damit leugnete er die Realität, mit der queere Menschen nicht nur in Argentinien konfrontiert sind. »Es gibt viele Frauen und Männer, die Gewalt erleiden«, relativierte er weiter. Auch in den sozialen Netzwerken machte er in diesem Sinne weiter und stellte fest, dass das Wort »Lesbenmord« nicht im Wörterbuch registriert sei. Letztes Jahr gab es in Argentinien 129 Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung.

Die NGO Human Rights Watch erklärte in einem Bericht, dass »in Argentinien, wo Regierungsdaten aus dem Jahr 2023 zeigten, dass 41,7 Prozent der Bevölkerung in Armut lebt, lesbische Paare größere Schwierigkeiten haben, eine Unterkunft zu finden, was ihre Möglichkeit einschränkt, die Privatsphäre ihres Zuhauses zum Schutz zu nutzen«. Die Organisation sieht ein globales Problem: »Im Jahr 2023 wurden weltweit Fälle von lesbischen, bisexuellen und queeren (LBQ+) Paaren registriert, die zusammen mit ihren Partnern ermordet, sexuell angegriffen, verstümmelt oder körperlich angegriffen wurden.« Diese Realität sei unzureichend dokumentiert.

Diese Gleichgültigkeit und Relativierung von Gewalt spezifisch gegen Frauen oder trans Personen passt zum neuen Präsidenten Argentiniens, der sich als Anarchokapitalist darstellt und beschämenderweise hier in Deutschland von einigen Ökonomen und Journalisten, wie der Hayek-Gesellschaft verehrt wird. Am Wochenende soll er in Spanien zu Gast beim Parteitag von Vox sein. Die ultranationalistische, migrations- und frauenfeindliche Partei leugnet ebenfalls, dass es so etwas wie geschlechtsspezifische Gewalt gibt und möchte daher alle Präventionsprogramme in dieser Richtung abschaffen. Die Regierung von Milei hat bereits angekündigt, dass sie Rechte zurücknehmen will, wie das auf Schwangerschaftsabbruch oder das Recht homosexueller Paare, Kinder zu adoptieren.

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